Die stummen Juristen – Verrat am Rechtsstaat
- Goga Machavariani

- 4. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Es gab eine Zeit in Georgien, da wagten Juristen, Anwälte und Menschenrechtsverteidiger ihre Stimme zu erheben. Unter Präsident Mikheil Saakashvili wurden Menschenrechtsverletzungen öffentlich angeprangert, Folterskandale angeheizt, Anwälte gingen mit Transparenten auf die Straße. Wer damals schwieg, galt als Mitläufer. Heute jedoch erleben wir eine groteske Umkehrung: Gerade die lautesten Kritiker von einst sind verstummt, obwohl die Menschenrechtslage ungleich dramatischer ist.
Vom Gefängnisskandal 2012 zum Schweigen heute
Erinnern wir uns an den September 2012: Schockierende Videos zeigten die Misshandlung, Erniedrigung und Folter von Gefangenen in Tiflis. Tagelang protestierten Menschen, darunter viele Juristen, gegen das System Saakashvili. Rücktritte, Reformversprechen, internationale Empörung – der Druck war enorm. Damals war klar: Rechtsstaat bedeutet, Missbrauch nicht stillschweigend hinzunehmen.
Schnitt ins Heute: Unter der Herrschaft des Oligarchen Bidzina Iwanischwili ist die Menschenrechtslage nicht besser, sondern katastrophaler geworden. Besonders deutlich zeigte sich dies im November und Dezember 2024, als die Regierung mit brutaler Härte gegen pro-europäische Demonstrationen vorging.
Die Polizei setzte Tränengas, Schlagstöcke und Wasserwerfer ein, hunderte friedliche Demonstranten wurden festgenommen. Der georgische Ombudsmann berichtete von systematischen Schlägen gegen Kopf und Gesicht – absichtlich zugefügt, um die Inhaftierten zu bestrafen. Amnesty International dokumentierte in diesen Wochen Folter, Misshandlungen, Knochenbrüche, Blutergüsse, vorenthaltene medizinische Hilfe und erzwungene Geständnisse. Ein Inhaftierter schilderte, dass viele Festgenommene „über und über mit Blut bedeckt“ gewesen seien; mehrere erlitten schwere Kopfverletzungen. Bis heute wurde kein einziger Polizist für diese Verbrechen belangt.
Und was sagt die Anwaltschaft dazu? Nichts. Absolut nichts.
David Asatiani – vom Präsidenten der Anwaltskammer zum „Schoßhund“
Eigentlich müsste die georgische Anwaltskammer die erste Institution sein, die Menschenrechtsverletzungen beim Namen nennt. Doch ihr Vorsitzender David Asatiani schweigt. Kein Wort zu den Polizeiexzessen von 2024, kein Wort zu politischer Verfolgung. Stattdessen Karriere auf internationalem Parkett: Präsident der Europäischen Anwaltsvereinigung. In Brüssel spielt er den unabhängigen Juristen – in Tiflis liefert er dem Regime das Feigenblatt, das es so dringend braucht.
Besonders aufschlussreich war sein Umgang mit einem Skandal im Jahr 2018, als ein heimlich aufgenommenes Tonband öffentlich wurde. Darin soll Asatiani dem Oligarchen-freundlichen Omega-Group-Chef Zaza Okuashvili vorgeschlagen haben, kritische Aussagen gegen Bidzina Iwanischwili zurückzuziehen und stattdessen Mikheil Saakashvili und Nika Gvaramia ins Visier zu nehmen. Als Gegenleistung, so die Vorwürfe, sollten die enormen Schulden des Unternehmens gestrichen und staatliche Beschlagnahmungen aufgehoben werden.
Asatiani wies dies natürlich zurück und erklärte auf Facebook, er könne „keinen Kommentar zu illegalen, manipulierten Mitschnitten professioneller Gespräche“ abgeben. Gleichzeitig betonte er seine „lebenslange Pflicht zur Wahrung von Berufsgeheimnissen“ – eine elegante Art, sich nicht zu äußern. Er stellte heraus, dass er seit 17 Jahren als Anwalt für die Omega Group tätig sei und stets „im besten Interesse des Klienten“ gehandelt habe.
Doch dieser Verweis auf „Vertraulichkeit“ wirkt eher wie eine Nebelkerze: Fakt bleibt, dass ein Präsident der Anwaltskammer, der in Skandale um Oligarchenfreundschaften und politische Deals verwickelt ist, kaum glaubwürdig für Rechtsstaatlichkeit eintreten kann. Sein Schweigen zu Folter und Repressionen wirkt vor diesem Hintergrund weniger wie ein Zufall, sondern wie ein systematischer Bestandteil seiner Rolle – ein Schoßhund Iwanischwilis, der das Schweigen zur höchsten Tugend erhebt.
Irakli Kandashvili – der nächste Lakai?
Und nun betritt Irakli Kandashvili die Bühne, Vorsitzender der Mediatorenvereinigung und Aspirant auf Asatianis Posten. Wer erwartet hätte, dass Kandashvili als „Reformer“ frischen Wind bringt, irrt. Auch von ihm: kein einziges Wort zu Folter, Misshandlungen oder der Aushöhlung des Rechtsstaats. Ein Mann, der sich lieber als seriöser Europäer inszeniert, während er zu Hause das Leid seines eigenen Volkes ignoriert. Die logische Fortsetzung des Systems Asatiani – nur mit neuem Gesicht.
Parallelen zu den Nazi-Juristen – Schweigen als Komplizenschaft
Wer glaubt, Schweigen sei harmlos oder neutral, irrt. Die Geschichte lehrt uns das Gegenteil. Im nationalsozialistischen Deutschland war es nicht allein die Gestapo, die den Rechtsstaat zerstörte. Es waren ebenso die zahllosen Richter, Anwälte und Professoren, die schwiegen, wegsahen oder bereitwillig dem Regime dienten. Sie verliehen der Diktatur einen Anschein von Legalität und machten sich damit zu Komplizen.
Genau dieses Muster wiederholt sich heute in Georgien: David Asatiani und Irakli Kandashvili sind keine Folterknechte, aber sie sind die stillen Juristen, die durch ihr Schweigen und ihre Karrieren im Ausland den Eindruck erwecken, als funktioniere die Rechtsstaatlichkeit in Georgien noch. In Wahrheit stützen sie damit ein autoritäres System.
So wie die Nazi-Juristen sich später mit der Ausrede „Befehl und Gehorsam“ herausreden wollten, wählen Asatiani und Kandashvili heute bewusst den Weg der Karriere statt Courage. Sie lassen sich von einem Oligarchen einspannen, um die Fassade eines Rechtsstaats aufrechtzuerhalten, während hinter den Kulissen Folter, Einschüchterung und autoritäre Macht herrschen.
Die stummen Juristen – Verrat am Rechtsstaat
Die eigentlichen Verräter an der georgischen Demokratie sind nicht nur jene, die Befehle zur Gewalt erteilen. Es sind auch jene, die durch Schweigen Beihilfe leisten. Juristen, die sich einst als moralische Instanz verstanden, machen sich heute zu Komplizen des Oligarchen. Der Preis? Posten, Titel, internationale Einladungen.
Botschaft an unsere internationalen Partner
Dieser Text ist ein Warnruf an die EU, den Europarat, internationale Anwaltsvereinigungen: Lassen Sie sich nicht täuschen von Iwanischwilis „Juristen“. Hinter Anzügen und Titeln verbergen sich stumme Diener eines autoritären Systems, das Demokratie, Rechtsstaat und europäische Werte zerstört. Jede Zusammenarbeit mit diesen Figuren bedeutet nichts anderes als Kollaboration mit dem Oligarchen und seiner russischen Agenda.
Die georgische Gesellschaft verlangt Klarheit: Keine Bühne für die Schoßhunde des Oligarchen. Keine Legitimierung ihrer Karriere durch westliche Partner.
Unsere Redaktion wird weiterhin jeden Fall dokumentieren, in dem internationale Institutionen mit diesen Lakaien kollaborieren. Wir werden Namen nennen, Strukturen offenlegen und den Schleier der Scheinheiligkeit zerreißen.
Denn: Wer heute zu Folter schweigt, macht sich morgen mitschuldig.





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