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Partner oder Zuschauer? Georgiens Demokratie dankt Amerika – und wartet auf Deutschland

Aktualisiert: 14. Mai

Am 11. Mai formierte sich in Tiflis ein bemerkenswerter Marsch. Keine empörte Menge, keine Protestbanner, kein Ruf nach Gerechtigkeit. Stattdessen: ein stilles, bewusstes „Danke“. Ziel war die US-Botschaft, Anlass war die klare und unmissverständliche Unterstützung der Vereinigten Staaten für die demokratischen Kräfte Georgiens.

Es war eine höfliche Geste – und gleichzeitig ein leiser Vorwurf an jene westlichen Partner, deren Stimme in den letzten Jahren auffällig schwach geblieben ist. Eine Demonstration der Dankbarkeit – und der Enttäuschung.

USA: Haltung statt Taktieren

Die Vereinigten Staaten haben sich in Georgien einen Ruf erarbeitet, den man mit einem deutschen Begriff beschreiben könnte, der in Berlin zuletzt in Vergessenheit geraten ist: Verlässlichkeit. Washington hat, ob unter Demokraten oder Republikanern, stets jene gefördert, die für demokratische Grundrechte eintreten. Ob investigative Medien, Bürgerrechtsorganisationen oder oppositionelle Abgeordnete – die Amerikaner hatten das richtige Gespür.

Sanktionen, klare diplomatische Sprache, gezielte Förderung der Zivilgesellschaft: Das amerikanische Engagement war nicht nur sichtbar, sondern spürbar. Dass Georgier:innen nun öffentlich Danke sagen, ist deshalb keine Inszenierung, sondern schlicht folgerichtig.

Deutschland: Zwischen Anstand und Anschlussfähigkeit

Ganz anders die Lage auf der anderen Seite des Atlantiks. Berlin, sonst gern moralischer Kompass der Weltpolitik, fiel in der georgischen Krise vor allem durch eines auf: Abwesenheit.

Ein besonders illustratives Beispiel: Hubert Knirsch, deutscher Botschafter in Tiflis von 2018 bis 2022. Seine Amtsführung ließ – freundlich formuliert – diplomatische Konsequenz vermissen. Kritische Stimmen werfen ihm vor, sich allzu eng mit der Regierungspartei „Georgischer Traum“ arrangiert zu haben. Pikantes Detail: Seine Ehefrau, Eva-Maria Knirsch, war währenddessen an der Kutaisi International University tätig – einer Institution, finanziert von niemand Geringerem als Bidzina Iwanischwili, dem inoffiziellen Machthaber Georgiens.

Dass ein Botschafter der Bundesrepublik Deutschland gleichzeitig familiär mit einer durch Oligarchenmittel gestützten Elitehochschule verbunden ist, wurde in Tiflis – wenig überraschend – nicht als Zufall verstanden, sondern als Zeichen. Und zwar nicht als gutes.

Karriere mit Qualitätssiegel „GIZ“

Auch in anderen Fällen wirft die deutsche Unterstützung früherer Jahre heute unangenehme Fragen auf.

Shalva Papuashvili, heute Parlamentspräsident, war lange Jahre als Stellvertretende Programmleiter bei der GIZ tätig. Heute verteidigt er mit beachtlichem Eifer das sogenannte „Agentengesetz“, das NGOs mit ausländischer Finanzierung als „Agenten“ brandmarkt – ein juristisches Werkzeug nach russischem Vorbild.

Tamar Zodelava, ebenfalls Ex-GIZ, leitet heute die georgische Fördermittelagentur. Unter ihrer Leitung wird das Prinzip der Unabhängigkeit von Zivilgesellschaft offenbar zunehmend durch Loyalitätskriterien ersetzt.

Kurz gesagt: Deutsche Organisationen haben Karrieren gefördert, die heute genau jenen Strukturabbau betreiben, den man mit deutschen Steuergeldern eigentlich verhindern wollte.

Hoffnung auf Kurswechsel: Peter Fischer und Friedrich Merz

Doch es wäre unredlich, die gesamte deutsche Außenpolitik in Sippenhaft zu nehmen. Peter Fischer, seit 2022 deutscher Botschafter in Tiflis, setzt spürbar andere Akzente. Anders als sein Vorgänger spricht Fischer offen über demokratische Rückschritte, kritisiert autoritäre Tendenzen und unterstützt die EU-Integration mit erkennbarer Klarheit.

Dass Fischer auch dort Haltung zeigt, wo andere schweigen, hat ihm in Georgien Anerkennung eingebracht – und weckt die Hoffnung, dass Deutschland seine Linie korrigieren könnte.

Unterstützt wird dieser Kurs inzwischen auch auf höchster Ebene: Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz hat in seinem außenpolitischen Programm festgeschrieben, dass die EU-Annäherung Georgiens nur dann voranschreiten kann, wenn demokratische Standards gewahrt bleiben. Die Botschaft ist klar: Keine Kompromisse mit Autokraten.

Vertrauen ist keine Gefälligkeit

Der Marsch zur US-Botschaft war ein Symbol – und eine diplomatische Zustandsbeschreibung. Die Vereinigten Staaten haben Vertrauen verdient – weil sie es in der Vergangenheit gerechtfertigt haben. Deutschland hingegen muss sich dieses Vertrauen erst zurückerarbeiten.

Wer demokratische Rhetorik ernst meint, sollte sie nicht bei Empfängen predigen und gleichzeitig an jenen festhalten, die Pressefreiheit abbauen, NGOs kriminalisieren und Wahlen manipulieren.

Georgien ist ein europäisches Land mit europäischem Anspruch. Wer diesen Weg unterstützen will, darf sich nicht länger von alten Netzwerken blenden lassen.

Danke, Amerika. Und Deutschland? Wir sehen uns beim nächsten Marsch.


Photo credit: Radiotavisupleba

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