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Wie Wolfgang Herrmann dem georgischen Autoritarismus einen deutschen Glanz verpasst

Es ist ein altbekanntes Schauspiel: Wenn ein autoritäres Regime in der eigenen Bevölkerung jede Glaubwürdigkeit verloren hat, sucht es sich Gesichter aus dem Ausland – Professoren, Experten, „Freunde Georgiens“ – die den schönen Schein der Normalität bewahren sollen. In Georgien trägt dieses Gesicht heute den Namen Wolfgang Herrmann, ein deutscher Akademiker, der sich offenbar mit sichtbarer Freude vor die Kameras der regierungsnahen Sender stellt, um das Oligarchensystem Bidzina Iwanischwilis zu legitimieren.

Herrmann spielt die Rolle perfekt: Er spricht ruhig, gebildet, mit deutschem Akzent und dem Nimbus westlicher Objektivität. Doch seine Worte sind nichts anderes als parfümierte Propaganda, verpackt in Professorentitel. Während draußen Studenten festgenommen werden, weil sie auf der Straße stehen, schwärmt Herrmann drinnen in Fernsehstudios von „Stabilität“, „Fortschritt“ und „geordneter Entwicklung“.


Der Kontext: Ein Land, das Kritiker zum Schweigen bringt


Nur wenige Tage bevor Herrmann seine jüngste Medienrunde absolvierte, kam es zu einem diplomatischen Eklat: Der deutsche Botschafter Peter Fischer wurde vom georgischen Außenministerium einbestellt – offiziell, um ihn an die Wiener Konvention zu erinnern, in Wahrheit, um ihn einzuschüchtern. Die Regierung unter Iwanischwili versucht systematisch, westliche Stimmen zu diskreditieren, die auf Korruption, Machtmissbrauch und Rechtsstaatsdefizite hinweisen. Fischer war dabei nicht Ziel einer Debatte, sondern Opfer einer Machtdemonstration.

Doch während die demokratischen Diplomaten gemaßregelt werden, lässt man Herrn Herrmann hofieren. Der Professor darf reden, weil er genau das sagt, was das Regime hören will.


Das Netzwerk der gekauften Autorität


Herrmanns enge Verbindung zur Kutaisi International University (KIU), die maßgeblich durch die Cartu-Stiftung Iwanischwilis finanziert wird, ist kein Zufall. Die Universität wurde 2019 per Sondergesetz gegründet, ohne normales Akkreditierungsverfahren, und dient seither als prestigeträchtiges Aushängeschild des Oligarchen. Herrmann, ehemals Präsident der Technischen Universität München, wurde dort als „Ehrenpräsident“ eingeführt – eine symbolische Position, die aber enorme politische Wirkung entfaltet: Sie gibt dem Regime den Anschein, von deutschen Universitäten und europäischen Experten legitimiert zu sein.

Wer die jüngere Geschichte kennt, weiß: Dies ist nicht der erste Fall solcher deutsch-oligarchischen Liaisonen. Bereits der frühere deutsche Botschafter Hubert Knirsch geriet 2021 in die Schlagzeilen, als die „BILD“ seine Nähe zur Regierung und die Tätigkeit seiner Ehefrau an derselben Universität aufdeckte. Transparency International sprach von „deutlichen Anzeichen eines Interessenkonflikts“. Herrmann ist also kein Einzelfall – er ist die Wiederholung desselben Skripts mit neuem Schauspieler.


Wenn ein Professor hilft, den Rechtsstaat zu begraben


Während Herrmann öffentlich von „Innovation“ und „deutsch-georgischer Freundschaft“ spricht, vollzieht sich in Georgien der vielleicht massivste Angriff auf die Demokratie seit den 1990er Jahren.

Das berüchtigte Gesetz über Transparenz ausländischer Einflussnahme, das von der Venedig-Kommission scharf kritisiert wurde, verpflichtet NGOs und Medien, die ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als „Agenten“ zu registrieren – ein Gesetz, das direkt aus Moskaus Handbuch stammt.

Gleichzeitig hat das Parlament das Versammlungsrecht faktisch abgeschafft: Wer an einer nicht genehmigten Demonstration teilnimmt, kann bereits nach dem ersten „Verstoß“ mit Arrest und nach dem zweiten mit Haftstrafen von bis zu ein Jahr bestraft werden. Es reicht, auf der Straße zu stehen, um kriminalisiert zu werden.

Und als wäre das nicht genug, liegt ein Gesetzesentwurf vor, der politische Parteien verbieten oder Kandidaten disqualifizieren kann, wenn sie „die öffentliche Ordnung gefährden“ oder „ausländischen Einfluss fördern“. Mit anderen Worten: Jede Opposition ist künftig potenziell illegal.

Das sind keine Nebensächlichkeiten. Das ist der systematische Umbau Georgiens zu einem legalistischen Autoritarismus, in dem jede Unterdrückung durch Paragrafen gedeckt wird.


Herrmanns Schweigen – ein lautes Einverständnis


Hat Wolfgang Herrmann jemals diese Entwicklungen kritisiert? Nein. Hat er die Zerstörung der Pressefreiheit, die Gewalt gegen Demonstranten oder die Kriminalisierung der Zivilgesellschaft öffentlich benannt? Auch nicht.

Er hat nichts gesagt, und genau deshalb wird er eingeladen. Er redet, um zu verschweigen. Sein Schweigen ist nützlich, weil es Vertrauen schafft – das Vertrauen der Zuschauer, dass, wenn ein deutscher Professor nichts Kritisches sagt, es wohl nichts Kritisches gibt.

Er ist das Feigenblatt der Macht, die gepflegte Stimme, die den Gestank der Unterdrückung überdeckt.


Zwischen Diplomatie und Propaganda


Der Unterschied zwischen Peter Fischer und Wolfgang Herrmann ist der Unterschied zwischen Integrität und Opportunismus. Der eine steht für demokratische Werte, auch wenn er dafür Ärger riskiert. Der andere verkauft sie für mediale Aufmerksamkeit.

Wenn Herrmann im staatlichen Fernsehen über „Entwicklung“ spricht, während draußen Studenten für ihre Meinung verhaftet werden, dann steht er nicht für Dialog, sondern für Verblendung. Seine bloße Anwesenheit in dieser Propagandamaschinerie legitimiert ein System, das jeden Tag ein Stück Freiheit erstickt.


Ein Mann mit Titel, aber ohne Haltung

Wolfgang Herrmann mag glauben, er diene der „Wissenschaft“, der „Zusammenarbeit“ oder gar der „Zukunft Georgiens“. In Wahrheit dient er einem Oligarchen, der Demokratie als Dekoration versteht. Sein Lächeln in der Kamera ist kein Ausdruck von Freundschaft – es ist das Lächeln eines Mannes, der weiß, dass er benutzt wird, und der sich damit abgefunden hat.

Wenn eines Tages Bilanz gezogen wird über den autoritären Umbau Georgiens, wird man sich an zwei Arten von Deutschen erinnern: an jene, die widersprachen – und an jene, die mitmachten. Wolfgang Herrmann wird in der zweiten Kategorie stehen.

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