„Warum wurde Georgien nicht nach Warschau eingeladen?“ – Ein diplomatischer Wink mit dem Zaunpfahl
- Nina Tifliska
- 9. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Man hätte es sich denken können: Während in Warschau am 8. Mai Vertreter:innen aller EU-Beitrittskandidaten am Tisch saßen, fehlte Georgien. Kein Platz für Tiflis, keine Einladung. Der Grund? Den lieferte der deutsche Botschafter in Georgien, Peter Fischer, in gewohnt diplomatischer Klarheit – eine Klarheit, die der georgischen Regierung vermutlich sauer aufstößt.
Kein Platz am Tisch: Die EU zeigt, wie Konsequenz aussieht
„Die EU hat im vergangenen Juni beschlossen, hochrangige Kontakte mit der georgischen Regierung auszusetzen, solange die Regierung die aktuelle Krise nicht löst.“ Mit diesem Satz brachte Fischer die Situation auf den Punkt. Keine Polemik, keine Übertreibung, nur die nüchterne Feststellung eines diplomatischen Faktums. Der Ausschluss aus Warschau ist damit keine zufällige Formalität, sondern eine direkte Folge der politischen Rückschritte, die sich Tiflis in den letzten Monaten redlich erarbeitet hat.
Während Albanien, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Bosnien und die Ukraine in Warschau diskutierten, blieb der Platz Georgiens leer – leer wie die Versprechen der georgischen Regierung, europäische Reformen umzusetzen.
Glückwünsche mit Botschaft: „Alles Gute zum Europatag!“
Fischer nutzte den Europatag, um den Menschen in Georgien zu gratulieren – und gleichzeitig an das zu erinnern, was auf dem Spiel steht. „Wir glauben, dass Georgien Teil Europas ist, dass Georgien der EU beitreten sollte. Europa ist Freundschaft und Solidarität.“ Worte, die Hoffnung vermitteln, aber gleichzeitig einen klaren Appell an die Zivilgesellschaft enthalten. Denn es liegt nicht an Brüssel, sondern an Georgien, den nächsten Schritt zu machen.
„Jeder weiß, was getan werden muss, um beizutreten“, fügte Fischer hinzu. Diese Feststellung ist so einfach wie treffend: Die Bedingungen sind bekannt – aber die georgische Regierung entscheidet sich bisher konsequent dafür, sie zu ignorieren.
Ein leerer Stuhl als Mahnung
Dass Georgien in Warschau fehlte, ist kein kleiner diplomatischer Fauxpas, sondern eine symbolische Warnung: Wer sich von europäischen Werten entfernt, verliert seinen Platz am Tisch. Die EU hat wiederholt betont, dass Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Schutz der Zivilgesellschaft keine verhandelbaren Extras, sondern Kernbedingungen der Mitgliedschaft sind.
Die georgische Regierung hingegen scheint diese Botschaften nicht hören zu wollen – oder schlimmer noch: bewusst zu ignorieren. Man redet weiter von „Integration“, während man Gesetze verabschiedet, die NGOs als „ausländische Agenten“ brandmarken und die Justiz politisieren. So klingt der europäische Chor nicht – so klingt ein Rückzug in autoritäre Muster.
Ein „Studentenkreis“ reicht eben nicht für Europa
Peter Fischer erinnerte daran, dass nicht nur die Regierung, sondern „das ganze Land“ der EU beitreten müsse: die Bürger:innen, die Zivilgesellschaft, die Institutionen gemeinsam. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass Europa nicht nur ein Vertrag zwischen Eliten, sondern ein gesellschaftliches Projekt ist. Doch während große Teile der Bevölkerung europäisch denken, handelt die Regierung, als wäre Tiflis eine Filiale Moskaus.
Die Ausladung aus Warschau ist deshalb kein diplomatischer Unfall, sondern der Preis einer Politik, die Europa ablehnt, während sie es vorgibt zu umarmen.
Der Weg bleibt offen – aber nicht ewig
Trotz allem zeigte sich Fischer hoffnungsvoll: „Ich hoffe, dass Georgien den Weg der europäischen Integration wieder aufnimmt.“ Ein Hoffnungsschimmer, der sich an die Bürger:innen richtet – und gleichzeitig ein Zeichen dafür ist, dass Europa Georgien nicht aufgegeben hat.
Aber diese Hoffnung hat ein Verfallsdatum. Die Tür nach Europa bleibt offen – doch wer sich weigert, hindurchzugehen, wird irgendwann vor verschlossenen Toren stehen.
Und während die Regierung in Tiflis weiter in den Spiegel schaut und sich selbst als europäisch bezeichnet, stellen sich die europäischen Partner längst die Frage: Wie viele Chancen braucht Georgien noch, bevor die Geduld endgültig aufgebraucht ist?
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