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Nika Melia und der spirituelle Notruf an Richter Shvangiradze

Ein Gerichtssaal in Tiflis, der 30. Mai – und eine Szene, wie man sie sonst vielleicht nur aus politischem Straßentheater kennt: Nika Melia, prominenter Oppositionsführer der Koalition Zvlilebistvis, steht vor Richter Irakli Shvangiradze. Er berichtet eindringlich von einer Festnahme, die sich wie eine Entführung anfühlte. Doch statt Nachfragen, Zweifel oder gar juristischem Interesse erhält er nur eine knappe Rückfrage zur Kautionszahlung.

Und dann greift Melia zur letzten Maßnahme: Er schüttet dem Richter Wasser ins Gesicht.

Ein Akt der Aggression? Nein. Viel eher ein symbolischer Versuch, das Gericht einer spirituellen Reinigung zu unterziehen – ein letztes Aufbäumen gegen eine Institution, die in den Augen vieler längst erstarrt ist.

Der Vorwurf: Polizeibeamte beleidigt

Doch was war überhaupt der formelle Grund für Melias Festnahme? Laut Innenministerium wurde er auf Grundlage von Artikel 173 des georgischen Verwaltungsstrafgesetzbuches festgenommen – wegen „Beleidigung eines Polizeibeamten“.

Ein klassischer Paragraph, der in Georgien regelmäßig zum Einsatz kommt, wenn politische Persönlichkeiten oder Demonstrierende mit der Polizei aneinandergeraten. In Melias Fall geht es um sein Verhalten gegenüber den Beamten bei seiner vorherigen Festnahme, deren Rechtmäßigkeit er bestreitet. Pikant daran: Die eigentliche Frist zur Zahlung einer Kaution – wegen Nichterscheinens vor einer umstrittenen parlamentarischen Kommission – war zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch gar nicht abgelaufen. Laut Melia war die Zahlungsfrist bis Mitternacht des 30. Mai angesetzt – festgenommen wurde er am 29. Mai gegen 21 Uhr.

„Wie kann man jemanden vor Ablauf einer Frist festnehmen, und dann so tun, als sei das rechtmäßig?“, fragte Melia im Gericht. Eine Frage, die im Saal jedoch offenbar nur rhetorische Bedeutung hatte.

Festnahme im Transporter – ohne Uniform, ohne Kennzeichen

In seiner Schilderung vor Gericht gab Melia an, dass er in der Nähe des Lisi-Sees unterwegs war, um an einer Fernsehsendung teilzunehmen, als er von zwei Fahrzeugen gestoppt wurde. Die Personen, die ihn festnahmen, trugen keine sichtbaren Polizeiabzeichen. Er wurde gewaltsam in ein Fahrzeug verbracht, in dem sich insgesamt elf Männer befanden, die versuchten, sein Mobiltelefon zu entsperren, mutmaßlich mit Gesichtserkennung.

Videoaufnahmen, die sowohl in seinem als auch im Begleitfahrzeug installiert waren, wurden laut Melia zerstört. Von offizieller Seite gibt es dazu keine Stellungnahme. Die Frage, ob es sich um eine reguläre Festnahme oder eine Entführung handelte, bleibt damit ebenso unbeantwortet wie das Schweigen des Gerichts zur Rechtmäßigkeit des Vorgehens.

Taufe oder schamanische Reinigung?

Melias symbolischer Akt – der Wasserguss auf Richter Shvangiradze – kann als eine Form der rituellen Säuberung verstanden werden. In vielen spirituellen Traditionen gilt Wasser als Element der Erneuerung. In der schamanischen Heilkunst ist es sogar Teil eines umfassenden Reinigungsrituals, bei dem Körper, Geist und Seele von Blockaden befreit werden sollen.

Doch wie bei jeder schamanischen Zeremonie gilt: Ein einzelner Guss genügt nicht. Heilung ist ein Prozess, der Wiederholung und tieferes Bewusstsein erfordert.

In diesem Sinne war Melias Handlung nicht unangebracht, sondern geradezu folgerichtig. Nur: Sie blieb wirkungslos.

Richter Shvangiradze zeigte weder Regung noch Erkenntnis. Die Blockaden im System, die dieser Akt vielleicht auflösen sollte, saßen zu tief. Eine Einzelsitzung reicht eben nicht, wenn das ganze Gericht institutionell blockiert ist.

Ein Richter ohne Fragen

Wer sich von einem Richter in einem politischen Prozess kritisches Denken, Aufklärungswillen oder gar Unabhängigkeit erwartet hatte, wurde enttäuscht. Shvangiradze stellte keine Fragen zu den Umständen der Festnahme, ließ keine Zweifel erkennen und verzichtete darauf, die Aussagen Melias auch nur ansatzweise einzuordnen. Die einzige sichtbare Reaktion: ein nasser Hemdkragen und eine dienstliche Säuberung des Gerichtsraums.

Dabei stellt sich die Frage: Darf ein Richter wirklich einfach wegsehen, wenn ein Angeklagter von gewaltsamer Festnahme und Datenvernichtung berichtet? Oder anders gefragt: Ist Gleichgültigkeit bereits Parteinahme – nur in sanfterem Ton?

Ein Fazit mit Nachgeschmack

Nika Melias Wasserguss wird juristisch aufgearbeitet, wahrscheinlich mit weiteren Konsequenzen. Doch der eigentliche Skandal liegt nicht im Wasser – sondern im Schweigen. Ein Angeklagter, der von Misshandlungen spricht, wird ignoriert. Ein Gericht, das seine Verantwortung ernst nähme, hätte handeln müssen. Doch stattdessen: Desinteresse. Dienst nach Vorschrift.

Wenn Georgiens Justiz tatsächlich auf europäische Standards zusteuern will, müsste sie nicht neue Gesetze schreiben – sondern endlich beginnen, die bestehenden Regeln anzuwenden. Und manchmal, ja manchmal hilft selbst Wasser nicht mehr.

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