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Der deutsche Botschafter, ein Cappuccino – und Georgiens Schattenstaat

Wenn Georgiens regierungsnahe Medien von „Informationen“ sprechen, darf man sich auf ein Spektakel zwischen Provinztheater und post-sowjetischem Überwachungsstaat einstellen. Diesmal meldet Imedi TV (natürlich über seine berüchtigte „Chronika“-Rubrik): „Nach unseren Informationen trifft sich der deutsche Botschafter gerade in einem Café in Batumi mit Aktivisten der radikalen Opposition – und erteilt ihnen Anweisungen.“

Ein Satz, wie aus einem Geheimdienstprotokoll – oder aus dem Drehbuch einer besonders schlechten Spionagesatire. Kein Bild, kein Beleg, keine Quelle – aber dafür ein klares Framing: Der Westen mischt sich angeblich aktiv in die inneren Angelegenheiten Georgiens ein. Und das ausgerechnet durch den Vertreter jenes Landes, das in Brüssel als Hauptverbündeter Georgiens auf dem Weg zur EU gilt.

Die alte Methode: Beobachten, verdächtigen, delegitimieren

Dass Imedi mit solchen „Exklusivmeldungen“ arbeitet, überrascht niemanden, der den Namen Irakli Rukhadze schon einmal gehört hat. Der US-Bürger und Partner des in London registrierten Hunnewell Partners kontrolliert nicht nur Imedi, sondern auch gewichtige Teile der georgischen Wirtschaft: Liberty Bank, Magticom, HeidelbergCement, Rustavi Steel – alles in einer Hand. Seine politische Loyalität gehört – wen wundert’s – Bidzina Iwanischwili.

Rukhadze ist nicht nur ein loyaler Geschäftspartner, sondern auch die Stimme des Regimes. Die britische Labour-Opposition forderte kürzlich eine Untersuchung gegen Hunnewell Partners, da der Konzern mit Imedi angeblich das wichtigste Propaganda-Instrument einer autoritären Regierung betreibt.

Wiederholung mit Ansage: Die Überwachung von US-Diplomaten

Wer nun meint, die „Chronika“-Geschichte über den deutschen Botschafter sei bloß grotesk, sollte sich an die Berichte erinnern, die TV Pirveli im Jahr 2022 veröffentlichte. Damals gelangten interne Dokumente des georgischen Sicherheitsdienstes SUS an die Öffentlichkeit. Sie belegten: Amerikanische Diplomaten wurden systematisch und illegal überwacht – mit Foto- und Videomaterial, operativen Vermerken und detaillierten Bewegungsprotokollen.

Beispiel gefällig? Am 4. Juli 2021 wurde US-Botschafterin Kelly Degnan bei einer Veranstaltung im „Sheraton Metekhi Palace“ observiert. Die Informationen über ihren Aufenthalt kamen direkt vom Sicherheitschef des Hotels – ein verlässlicher Informant für den Geheimdienst. Auch private Treffen in der Residenz der Botschafterin wurden protokolliert – inklusive Treffen mit Oppositionspolitikern wie Giorgi Vashadze.

Wie aus dem Lehrbuch autoritärer Systeme

Die Logik dahinter ist altbekannt: Diplomatische Kontakte zur Opposition werden als konspirativ dargestellt, die eigene Bevölkerung soll davon überzeugt werden, dass die Opposition fremdgesteuert sei – im Idealfall direkt vom „dekadenten Westen“. Die Methode wirkt vertraut: Stigmatisieren, isolieren, diskreditieren. Und dabei gleichzeitig jede Form echter Außenpolitik sabotieren.

Dass Imedi nun praktisch denselben Vorwurf gegen den deutschen Botschafter erhebt, den SUS schon gegen die Amerikaner inszenierte, ist kaum Zufall. Es handelt sich nicht um Journalismus, sondern um eine Fortsetzung der nachrichtendienstlichen Manipulation – diesmal mediengerecht aufbereitet. In einer Zeit, in der Deutschland (gemeinsam mit der EU) mehr Druck auf die georgische Regierung ausübt, passt es ins Kalkül, die deutsche Diplomatie öffentlich unter Verdacht zu stellen.

Sanktionen: Der Westen reagiert – zumindest teilweise

Längst gibt es in den USA und Großbritannien nicht nur Kritik, sondern konkrete Maßnahmen. Der republikanische Abgeordnete Joe Wilson, Vorsitzender der Helsinki-Kommission, fordert Sanktionen gegen Irakli Rukhadze persönlich. Auf X schreibt er: „Rukhadze ist Iwanischwilis Hauptpropagandist, besitzt zahlreiche korrupte Vermögenswerte und verbreitet über ‚Imedi‘ Hass gegen Amerika. Sanktionen sind unterwegs.“

Man kann sich fragen, wie lange Europa noch zusehen will, während georgische Sicherheitsstrukturen westliche Diplomaten bespitzeln – und ihre öffentlich-rechtliche Funktion faktisch an Propagandamedien ausgelagert haben.

Wenn Cafés zu Tatorten gemacht werden

In einem normalen Land würde ein Treffen zwischen einem Botschafter und zivilgesellschaftlichen Akteuren in einem Café als Ausdruck diplomatischer Offenheit gelten. In Georgien – oder besser: im paranoiden Paralleluniversum des Regimes – wird daraus eine staatsgefährdende Verschwörung.

Dass solche Erzählungen mittlerweile ausgerechnet von einem Fernsehsender kommen, der eng mit einem US-Staatsbürger verknüpft ist, zeigt die Absurdität der Lage. Georgien spielt mit dem Feuer – und riskiert zunehmend, seine internationalen Partner nicht nur zu verprellen, sondern aktiv gegen sich aufzubringen.

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