Online-Medien in Georgien vor dem Aus – Journalist:innen bitten Leser:innen um Hilfe
- Kitty Jashi
- 24. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
„Das Licht darf nicht erlöschen“. Unter diesem Slogan haben sich 22 unabhängige georgische Online-Medien zusammengeschlossen, um gegen den massiven Angriff der Regierungspartei „Georgian Dream“ auf die Pressefreiheit zu protestieren. Die Aktion ist ein Hilferuf und ein letzter Weckruf zugleich: Die unabhängige Presse in Georgien kämpft ums nackte Überleben.
Die Situation ist dramatisch. Durch die Verabschiedung repressiver Gesetze hat die Regierung nicht nur die Arbeitsbedingungen von Journalist:innen verschlechtert, sondern deren Existenzgrundlage systematisch zerstört. Internationale Förderungen werden blockiert, unabhängige Einnahmequellen ausgetrocknet – und kritische Stimmen kriminalisiert. Warum entstand die Kampagne?
Der Auslöser war die jüngste Welle von Gesetzen, die „Georgian Dream“ im Rekordtempo durchs Parlament gepeitscht hat. Besonders zwei Bestimmungen stellen eine unmittelbare Bedrohung für unabhängige Medien dar:
Das sogenannte FARA-Gesetz: Jede Organisation oder jedes Medium, das Gelder aus dem Ausland erhält, muss sich in Georgien als „ausländischer Agent“ registrieren. Weigert sich eine Redaktion, droht nicht nur die Stigmatisierung als „Volksfeind“, sondern auch strafrechtliche Verfolgung.
Änderungen im Grantgesetz: Internationale Stiftungen oder Organisationen dürfen Förderungen in Georgien nur dann vergeben, wenn die Regierung vorher ihre Zustimmung erteilt. Mit anderen Worten: Die Regierung entscheidet, ob sie Kritik an Korruption, Nepotismus oder Machtmissbrauch finanzieren lässt. Man kann sich die Antwort denken.
Diese Gesetze sind kein originelles Werk der georgischen Rechtskultur, sondern billige Kopien autoritärer Vorbilder aus Russland, Belarus und Kirgisistan. Und wie dort lautet die Botschaft: Eine unabhängige Presse soll es nicht mehr geben.
Um dem drohenden Dunkel etwas entgegenzusetzen, haben die Medienhäuser die Plattform sinatle.media ins Leben gerufen – ein Spendenportal, das die finanzielle Grundlage für ihre Arbeit sichern soll.
Gemeinsame Erklärung der Online-Medien
In einer gemeinsamen Stellungnahme warnten die 22 Medien eindringlich:
„Das repressive Gesetz hat die unabhängigen Online-Medien an den Rand des Verschwindens gebracht. Journalist:innen setzen ihre Arbeit unter permanenter Bedrohung für Freiheit, Gesundheit und persönliche Sicherheit fort. Das Regime bestraft Mzia Amaglobeli exemplarisch. Unsere Antwort darauf ist Einheit und Widerstand.“
Solidaritätsmarsch: „Nein zur russischen Finsternis!“
Am 13. August erlebte Tiflis einen besonderen Protest. Hunderte Bürger:innen, Journalist:innen und Medienmanager:innen versammelten sich mit Kerzen und Lampen und marschierten vom Platz der Republik bis zum Parlament.
Die Rufe hallten durch die Nacht: „Nein zur russischen Finsternis!“ – „Freiheit für die Medien!“ – „Freiheit für Mzia Amaglobeli!“
Jedes Licht symbolisierte eine Stimme, die sagt: „Das Land lebt, das Volk ist wachsam, die Wahrheit wird nicht verschwinden.“ Ein starkes Bild – und zugleich ein trauriges. Denn Proteste ersetzen keine funktionierenden Institutionen, und Kerzen brennen irgendwann nieder.
Der Fall Mzia Amaglobeli: Ein Exempel der Repression
Wenn ein Name heute sinnbildlich für die Repression gegen unabhängige Medien steht, dann ist es Mzia Amaglobeli. Die Gründerin der Online-Plattform „Batumelebi“ sitzt wegen angeblicher Vergehen im Gefängnis – ein Fall politisch motivierter Strafverfolgung, der in Europa und Deutschland längst Empörung ausgelöst hat.
Tamar Rukhadze, kommissarische Direktorin von „Batumelebi“, sagte gegenüber Tiflis24: „Die Regierung von ‚Georgian Dream‘ tut alles, um unabhängige Medien zu zerstören: Die Gründerin von ‚Batumelebi‘, Mzia Amaglobeli, wird völlig rechtswidrig und unfair im Gefängnis festgehalten. Journalist:innen entgingen auf Demonstrationen nur knapp dem Tod, die Angreifer werden nicht bestraft. Gleichzeitig nutzt die Regierung alle finanziellen Hebel, um die Einnahmen abzuschneiden. Wenn Sie die Webseiten unabhängiger Medien besuchen, sehen Sie, wie wenig Werbung dort ist – es ist offensichtlich, dass ihre Einnahmen sehr gering sind. Der einzige Weg, dass Medien überleben, ist, sich an ihre Leser:innen zu wenden, für die sie arbeiten, und sie um Hilfe zu bitten.“
Stimmen aus den Regionen: Marneuli und Samtskhe-Javakheti
Die Repression trifft nicht nur die großen Medien in Tiflis, sondern auch die lokalen Redaktionen in den Regionen – jene, die oft die einzige unabhängige Informationsquelle für die Bevölkerung darstellen.
Vladimir Chkhitunidze vom Marneuli Community Radio sagte gegenüber Tiflis24:
„Warum registrieren wir uns nicht im Agentenregister? – Weil wir keine Agenten sind und diesen Namen niemals tragen werden. Meine Kolleg:innen und ich arbeiten für die Bevölkerung von Marneuli, für die Verbesserung ihres Lebens, und wir werden uns niemals in ein Register eintragen, das ‚Georgian Dream‘ geschaffen hat, nur um uns das Etikett ‚Volksverräter‘ anzuhängen.“ Und Gulo Kokhodze, Direktorin von „Samchretis Karibche“, erklärte: „In der Region Samtskhe-Javakheti, wo die Bevölkerung lange Zeit von russischsprachigen Fernsehsendern abhängig war, begannen wir, Informationen in ihrer eigenen Sprache zu liefern. Wir ersetzten die propagandistischen Botschaften, die über russische Kanäle kamen, durch korrekte Informationen und Wahrheit... Ich weiß nicht, was ‚Georgian Dream‘ will, aber all unsere Wege führen derzeit dorthin, dass wir schließen müssen.“
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