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Internationale Wissenschaftler warnen: Georgiens Hochschulreform bedroht die akademische Freiheit

Mehr als sechzig international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von führenden Universitäten in Europa und Nordamerika richten eine ungewöhnlich deutliche Warnung an die georgische Regierung. In einem offenen Brief an Premierminister Irakli Kobakhidze üben sie scharfe Kritik am am 16. Oktober vorgestellten „Nationalen Reformkonzept für die Hochschulbildung“. Was von der Regierung als längst überfällige Modernisierung zur Steigerung von Effizienz, Qualität und Chancengleichheit dargestellt wird, beschreiben die Unterzeichnenden als grundlegend verfehlte Reform, die die strukturelle Krise der georgischen Hochschulbildung vertieft, statt sie zu lösen.


15. Dezember 2025


Für ein Umdenken beim Nationalen Reformkonzept für die Hochschulbildung in Georgien


An Irakli Kobakhidze, Premierminister von Georgien

Am 16. Oktober haben Sie ein Nationales Reformkonzept für die Hochschulbildung vorgestellt, das aus sieben zentralen Komponenten besteht. In diesem Dokument sowie in Ihrer Rede versichern Sie und Ihre Regierung den Bürgerinnen und Bürgern Georgiens, dass dieses Reformkonzept die Effizienz und Qualität der Hochschulbildung verbessern und den gleichberechtigten Zugang für Studierende fördern werde. Wir teilen die Einschätzung, dass das georgische Hochschulsystem seit Langem mit gravierenden Problemen konfrontiert ist: Universitäten und Forschungsinstitute sind chronisch unterfinanziert (2025 betrugen die staatlichen Ausgaben für Hochschulbildung lediglich 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts); Lehrende sind massiv unterbezahlt und gezwungen, zwei bis drei Jobs gleichzeitig auszuüben, um ihre Familien zu ernähren; staatlich geförderte Forschung und wissenschaftliche Labore sind nahezu verschwunden; und die Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventinnen und -absolventen führt Jahr für Jahr zu einer massiven Abwanderung ins Ausland.


Die in Ihrem Nationalen Reformkonzept für die Hochschulbildung vorgeschlagenen Maßnahmen werden keines dieser Probleme lösen. Im Gegenteil: Sie werden die staatliche Kontrolle über den Hochschulsektor weiter ausbauen. Die Leitung der Universitäten soll in die Hände von Rektoren und Administratoren gelegt werden, die der Regierung verpflichtet sind. Die Autonomie der Hochschulen – und damit die Kontrolle der Lehrenden über Studienprogramme und Curricula – wird erheblich geschwächt. Die Hochschulbudgets sollen weiter gekürzt werden, während zugleich die Entfernung kritischer und widersprechender Lehrkräfte im Zuge der Reorganisation erleichtert wird. Diese sogenannte „Reform“ droht, den letzten Bereich in Georgien zu schließen, in dem noch Raum für gesunden Widerspruch besteht.


Ein funktionierendes Universitätssystem, das kritisches Denken, Selbstverwaltung, akademische Freiheit, gut ausgestattete Forschungsmöglichkeiten und internationalen Austausch fördert, ist von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der georgischen Volkswirtschaft. Ohne Universitäten, in denen Informationen frei zugänglich sind und Forschung unabhängig betrieben werden kann, wird die georgische Wirtschaft nicht gedeihen.


Wir sind internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Universitäten in aller Welt. Mit großer Sorge beobachten wir zudem andere Maßnahmen Ihrer Regierung, die zur Inhaftierung von Lehrenden und Studierenden geführt haben, nur weil sie ihre Rechte friedlich verteidigt haben. Das von Ihnen vorgeschlagene Nationale Reformkonzept für die Hochschulbildung würde nicht nur Georgiens bisherigen demokratischen Fortschritt zunichtemachen, sondern auch die Zukunftsperspektiven jener Bürgerinnen und Bürger erheblich einschränken, zu deren Vertretung Sie gewählt wurden. Hochschulbildung bringt engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie qualifizierte Fachkräfte hervor, die gemeinsam mit der arbeitenden Bevölkerung das Überleben und den Wohlstand des Landes in einer zunehmend wettbewerbsorientierten globalen Ordnung sichern.


Wir fordern die Regierung daher nachdrücklich auf, dieses bildungspolitisch schädliche Vorhaben zu überdenken und in einen ernsthaften Dialog mit allen Akteuren des georgischen Hochschulsystems einzutreten, um eine echte Reform zu entwickeln, die das Leben der Bürgerinnen und Bürger Georgiens und ihrer Kinder tatsächlich verbessert.


Unterzeichnet von:

  1. Professor Stephen Jones, Davis Center, Harvard University 

  2. Professor Ronald Suny (Emeritus), University of Michigan, University of Chicago 

  3. Professor Erik R. Scott, University of Kansas 

  4. Prof. Dr. Hubertus Jahn (Emeritus), University of Cambridge 

  5. Professor Catriona Kelly FBA, Senior Research Fellow, Trinity College, University of Cambridge 

  6. Prof. Dr. Ulf Brunnbauer, Leibniz Institute for East and Southeast European Studies, Regensburg (Germany) 

  7. Professor Kelly O'Neill, Harvard University 

  8. Professor Roy Allison, St. Antony's College, University of Oxford 

  9. Professor Donald Rayfield (Emeritus), Queen Mary College, University of London 

  10. Professor Stephen Neil MacFarlane (Emeritus), University of Oxford 

  11. Lincoln Mitchell, Columbia University 

  12. Professor Florian Mühlfried, Ilia State University 

  13. Professor Paul Manning, Trent University, Canada 

  14. Professor Maia Chankseliani, University of Oxford 

  15. Professor Charles Urjewicz (Emeritus) (INALCO, Paris, France) 

  16. Professor Oliver Reisner, Ilia State University Tbilisi 

  17. Professor Michael Rochlitz, University of Oxford /Director of the Oxford Georgia Programme 

  18. Dr Alexander Morrison, Fellow and Tutor in History, New College, Oxford 

  19. Professor Jeremy Smith, University of Eastern Finland 

  20. Professor Guido Hausmann, Leibniz Institute for East and Southeast European Studies 

  21. Professor Edmund Herzig, Professor of Persian Studies, University of Oxford 

  22. Professor Bruce Grant, New York University 

  23. Professor Jonathan Wheatley, Oxford Brookes University 

  24. Professor Mirja Lecke, University of Regensburg, Germany 

  25. Ambassador William Courtney (US, Retired) 

  26. Ambassador Kenneth Yalowitz (US, Retired) 

  27. Professor Timothy Blauvelt, Ilia State University 

  28. Professor Julie George, CUNY and Columbia University 

  29. Professor Robert Kindler, Freie Universität Berlin 

  30. Prof. Dr. Theocharis Grigoriadis, Freie Universität Berlin 

  31. Dr Tamara Dragadze, Visiting Professor, University of Westminster 

  32. Professor Michael David-Fox, Director, Center for Eurasian, Russian and East European Studies, School of Foreign Service, Georgetown University 

  33. Dr Michel Abeßer, Assistant Professor, University of Freiburg, Germany 

  34. Prof. Dr. Stefan Applis (Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg) 

  35. Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt, Dr. h.c. (Pécs University), Dr. h.c. (Ilia State University Tbilisi), Director Institut für kulturelle Infrastruktur Sachsen 

  36. Dr Michael H. Cecire, Affiliated Scholar, Center for Eurasian, Russian and East European Studies, Georgetown University 

  37. Professor Dan Healey (Emeritus), University of Oxford 

  38. PD. Dr. Kirsten Bönker, Nordost-Institut an der Universität Hamburg 

  39. Professor Anne Meneley, Trent University 

  40. Prof. Dr. Susanne Frank, Humboldt University of Berlin 

  41. Prof. Dr. Riccardo Nicolosi, LMU University Munich 

  42. Dr Riccardo Mario Cucciolla (University of Naples l'Orientale, Naples, Italy) 

  43. Professor Alex Krouglov, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  44. Lesia Rubashova, Assoc. Professor, Research and Educational Center of Foreign Languages, National Academy of Sciences of Ukraine 

  45. Dr Rasmus Nilsson, Lecturer, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  46. Dr Peter Braga, Lecturer, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  47. Prof. Dr. Thomas Ertl, Freie Universitaet, Berlin 

  48. Prof. Dr. Marc Junge, University of Erlangen, Germany, department for Eastern European history 

  49. Professor Pamela Davidson, Russian literature, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  50. Dr. Philipp Christoph Schmädeke CEO Akademisches Netzwerk Osteuropa, akno e.V., Director SCIENCE AT RISK Emergency Office 

  51. Professor Richard Mole, Political Sociology, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  52. Olivia Bailey, language coordinator, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  53. Dr Jessie Barton Hronesova, Lecturer, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  54. Dr Jakub Beneš, UCL SSEES (University College London, School of Slavonic and East European Studies) 

  55. Prof. Dr. F. Benjamin Schenk (University of Basel) 

  56. Professor Katie Campbell, King's College, University of Cambridge 

  57. Professor Anke Hilbrenner, Institute for Historical Sciences, Heinrich Heine University, Düsseldorf, Germany 

  58. Megi Kartsivadze, University College London 

  59. Dr Hans Gutbrod, Ilia State University 

  60. Professor Riccardo Nicolosi, LMU University Munich 

  61. Dr. Mike Loader, University of Glasgow, UK 

  62. Dr Yuliya Yurchuk, Assistant Professor, Södertörn University, Sweden 

  63. Professor Antoon de Baets, em. University of Groningen (The Netherlands) 

  64. Professor Gesine Drews-Sylla, Neuphilologisches Institut - Slavistik, Julius-Maximilians Universität Würzburg 

  65. Dr Abraham Florin, Associate Professor in Political Science at the Faculty of Communication of the National University of Political Science and Public Administration, Bucharest 

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