Global Tech Weekend Tbilisi 2025 – Zwischen Schweigepflicht und Medienjagd
- Nina Tifliska
- 20. Juni
- 2 Min. Lesezeit
In Georgiens boomender Tech‑Szene soll das Global Tech Weekend Tbilisi (GTWT) eigentlich ein Aushängeschild sein: dezentral, international vernetzt, mit 150 Speaker:innen und ikonischen Veranstaltungsorten. Doch kaum 24 Stunden nach dem Versand eines drakonischen „No Political Content“-Schreibens an alle Vortragenden (siehe unten), wird deutlich, dass hinter den glitzernden LED‑Bühnen eine beunruhigende Realität lauert: Wer redet, fliegt.
Zur gleichen Zeit veröffentlichen 23 internationale Medienfreiheitsorganisationen einen Alarmruf: Infolge neuer repressiver Gesetze stehe Georgiens unabhängige Presse „nur noch Monate vor dem Aus“. Spätestens jetzt verschränkt sich das Speaker‑Verbot einer Tech‑Konferenz mit der großflächigen Aushöhlung von Meinungs‑ und Pressefreiheit im Land – und die Sponsoren des Events müssen sich fragen lassen, ob sie gerade das Bühnenbild für eine Zensur‑Generalprobe finanzieren.

Die Speaker‑Policy: Schweigen für den Fortschritt?
„Speakers are strictly prohibited from discussing or promoting any political content…“ – GTWT Speaker Policy, Juni 2025
Das Dokument verbietet:
Nennung politischer Parteien, Bewegungen oder Regierungsvertreter:innen
Diskussion geopolitischer Konflikte
Äußerung nationaler oder internationaler politischer Meinungen
Verstöße führen zur sofortigen Beendigung der Präsentation und zum Ausschluss auf Lebenszeit. Mit anderen Worten: Auf einer Tech‑Konferenz in einem Land, dessen digitale Community seit Monaten gegen Autokratie und „FARA‑Klon“ protestiert, soll jede gesellschaftliche Kontextualisierung unterbunden werden. Ironischerweise bekennt sich der Veranstalter gleichzeitig zu „unvergesslichen kulturellen Erfahrungen“. Offenbar gehört dazu, dass man beim Kulturaustausch gefälligst die Klappe hält.
Neue Gesetze, alte Rezepte: Wie Tbilisi die Presse mundtot macht
Am 17. Juni 2025 veröffentlichte ein Bündnis aus 23 internationalen Organisationen, darunter IPI, RSF, CPJ und EFJ, eine düstere Bilanz:
Die regierende „Georgian Dream“ konsolidiere ihr autoritäres Projekt.
Journalist:innen würden vermehrt verhaftet, verprügelt oder mit ruinösen Geldstrafen belegt.
Das im Mai verabschiedete „Gesetz über ausländische Einflussnahme“ (trügerisch als FARA‑Kopie verkauft) zwingt Medien und NGOs vor jeder ausländischen Zuwendung zur Genehmigung durch die Regierung. Selbst kostenlose Trainings können künftig als Straftat gelten.
Die Festnahme der Batumelebi/Netgazeti‑Gründerin Mzia Amaghlobeli gilt Beobachter:innen als Lehrstück politisch motivierter Repression.
„Unabhängigen Medien in Georgien bleiben vielleicht nur noch wenige Monate, bevor sie zwangsweise schließen müssen.“ – Gemeinsame Erklärung der 23 Organisationen
Sponsoren im Zwielicht: Von UN Women bis Borjomi
Kategorie | Partner (Auswahl) |
Banken & FinTech | TBC, Paysera Bank, BitNest |
Medien & Marketing | Forbes Georgia, Marketer.ge, Entrepreneur |
International & NGO | UN Women Georgia |
Hospitality & Lifestyle | Adjara Group, Fabrika, Tbilisi Hills |
Retail & Tech | Zoommer, Kraken, LAB Technologies |
Alle profitieren vom Image eines progressiven Georgiens – doch mit jeder Schweigeminute auf der Bühne rückt die Frage näher: Finanzieren diese Marken gerade die sound‑optimierte Tonspur staatlicher Zensur?
Die Verbindung: Schweigepflicht + Mediengesetz = perfektes Match
Konferenz‑Schweigeklausel: Verhindert kritische Debatte innerhalb einer internationalen Tech‑Community.
FARA‑Klon & Begleitgesetze: Ermöglichen rechtliche Verfolgung von Medienschaffenden außerhalb der Konferenz.
Zusammen ergibt das ein Ökosystem, in dem es sehr bequem ist, disruptive Technologien zu feiern, solange sie nicht das politische Betriebssystem stören. In Tiflis 2025 heißt Innovation anscheinend: Coding Yes, Conscience No.
Wenn Tech die Stimme verliert
Das GTWT 2025 zeigt exemplarisch, wie leicht sich „Innovation“ als Schaufenster für autoritäre Narrative instrumentalisieren lässt. Während Start‑ups pitchen und Investoren anstoßen, rückt die Pressefreiheit an den Rand des Abgrunds. Ob die Sponsoren handeln oder weiter Selfies vor LED‑Wänden posten, wird entscheiden, ob dieses Wochenende als Festival des Fortschritts oder als Lehrstück der Selbstzensur in Erinnerung bleibt.
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