Geheime Richterkonferenz – und draußen rufen die Mütter „Sklaven“
- Redaktion| Tiflis24
- vor 7 Stunden
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Manchmal liefert die georgische Justiz mehr Stoff für eine Polit-Satire als jede Kabarettbühne. Am 34. außerordentlichen Konferenztreffen der Richterakademie – wohlgemerkt hinter verschlossenen Türen – versammelten sich die höchsten Köpfe der georgischen Justiz. Und nein, die kritischen Medien wussten natürlich nichts davon. Transparenz? Offenheit? Ach bitte, wir sprechen hier schließlich von einer Elite, die sich nicht von schnöden Journalisten stören lassen will!
Vor dem Gebäude standen währenddessen die Familienangehörigen und Unterstützer:innen jener Aktivist:innen, die von diesen ehrenwerten Richter:innen höchstpersönlich in Untersuchungshaft geschickt worden waren – mit genau jener Unabhängigkeit und Objektivität, für die die georgische Justiz so weltberühmt ist. Aus den Reihen der Demonstranten hallte es in regelmäßigen Abständen „Sklaven!“ in Richtung der richterlichen Konferenz – und ehrlich gesagt, angesichts des derzeitigen Justizsystems ein fast schon höflicher Ausdruck.
Wenn Richter lieber rennen als reden
Besonders interessant wurde es, als „Schabatis Etheri“ (Samstags-Sendung) es schaffte, einige dieser Richter für Interviews abzufangen. Mitglieder des berüchtigten „Clans“ der Richter – ja, es gibt in Georgien wirklich eine richterliche Gruppierung, die offiziell als „Clan“ bekannt ist, als wäre man hier in einem Mafiafilm – zogen es allerdings vor, wortlos das Weite zu suchen. Fragen? Antworten? Transparenz? Ach, hören wir doch bitte auf mit diesen westlich-liberalen Fantasien.
Nicht ein einziger Richter hatte heute eine Antwort auf die simpelste Frage: Warum wurde die Veranstaltung für die Medien gesperrt? Warum durfte nur der regierungsfreundliche Sender „Öffentlicher Rundfunk“ Fragen stellen und berichten? Hach, Georgien, du Land der offenen Geheimnisse.
Staatsfernsehen darf rein – Kritische Medien bleiben draußen
Während kritische Journalist:innen vor der Tür bleiben mussten, durften Reporter:innen des staatlichen Rundfunks exklusiv Mäuschen spielen. Und siehe da: Das erste öffentliche Statement zur Konferenz kam dann auch – welch Überraschung! – genau von dort. Man möchte fast applaudieren: Die PR-Maschinerie funktioniert also bestens. Kritische Fragen? Lieber nicht. Unbequeme Wahrheiten? Bitte draußen bleiben.
Murusidze gibt sich ungerührt – Sanktionen? Pah!
Ein besonderes Highlight kam von Levan Murusidze, einem der bekanntesten Richter unter Ivanishvili's Regime, der auf die gegen ihn und Michail Tschintschaladse verhängten Finanzsanktionen des Vereinigten Königreichs vom 2. April bemerkenswert gelassen reagierte. Seine Aussage? „Ich glaube wirklich nicht, dass jemandem in Wahrheit das Herz blutet, weil wir Levan Murusidse sanktionieren – angeblich, weil er korrupt ist und das georgische Volk unter seiner Korruption leidet. Niemand glaubt, dass das die Realität ist. Ich reagiere darauf gar nicht mehr, um ehrlich zu sein, ich bin sehr ruhig und gelassen, weil ich weiß, dass der wahre Grund nicht die Korruption ist, sondern dass sie die Kontrolle über die Justiz wollen. Warum? Wegen ihrer globalen Politik. [...] Sanktionen werden keinerlei Einfluss haben. Schon heute sieht man, wie viele Richter sich versammelt haben, und je mehr Druck auf das Justizsystem ausgeübt wird, desto standhafter wird das Richterkorps sein.“
Ein beeindruckendes Maß an Selbstzufriedenheit – man könnte fast meinen, Murusidze sei stolz darauf, als Symbol der internationalen Kritik zu gelten. Dass es hier um gravierende Vorwürfe und nicht bloß um „globale Politik“ geht, scheint ihm entgangen zu sein. Oder, wahrscheinlicher, es ist ihm schlicht egal.
Georgiens Justiz zwischen Selbstherrlichkeit und Abschottung
Was bleibt nach diesem kleinen Schauspiel? Ein Justizsystem, das sich in abgeschotteten Hinterzimmern selbst feiert, während draußen verzweifelte Mütter „Sklaven“ rufen. Eine Presse, die an der Tür abgewiesen wird, weil nur genehme Medien eingeladen sind. Und Richter, die internationale Sanktionen als Bestätigung ihrer heldenhaften Standhaftigkeit verklären. Georgien – wo Zynismus und Realität Hand in Hand gehen.
Aber keine Sorge, liebe Leser:innen: Bei tiflis24.de bleiben wir dran. Schließlich muss ja jemand Licht ins Dunkel bringen, wenn die georgischen Richter schon alle Fenster verrammeln.
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