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- Der deutsche Botschafter, ein Cappuccino – und Georgiens Schattenstaat
Wenn Georgiens regierungsnahe Medien von „Informationen“ sprechen, darf man sich auf ein Spektakel zwischen Provinztheater und post-sowjetischem Überwachungsstaat einstellen. Diesmal meldet Imedi TV (natürlich über seine berüchtigte „Chronika“-Rubrik): „Nach unseren Informationen trifft sich der deutsche Botschafter gerade in einem Café in Batumi mit Aktivisten der radikalen Opposition – und erteilt ihnen Anweisungen.“ Ein Satz, wie aus einem Geheimdienstprotokoll – oder aus dem Drehbuch einer besonders schlechten Spionagesatire. Kein Bild, kein Beleg, keine Quelle – aber dafür ein klares Framing: Der Westen mischt sich angeblich aktiv in die inneren Angelegenheiten Georgiens ein. Und das ausgerechnet durch den Vertreter jenes Landes, das in Brüssel als Hauptverbündeter Georgiens auf dem Weg zur EU gilt. Die alte Methode: Beobachten, verdächtigen, delegitimieren Dass Imedi mit solchen „Exklusivmeldungen“ arbeitet, überrascht niemanden, der den Namen Irakli Rukhadze schon einmal gehört hat. Der US-Bürger und Partner des in London registrierten Hunnewell Partners kontrolliert nicht nur Imedi , sondern auch gewichtige Teile der georgischen Wirtschaft: Liberty Bank , Magticom , HeidelbergCement , Rustavi Steel – alles in einer Hand. Seine politische Loyalität gehört – wen wundert’s – Bidzina Iwanischwili. Rukhadze ist nicht nur ein loyaler Geschäftspartner, sondern auch die Stimme des Regimes. Die britische Labour-Opposition forderte kürzlich eine Untersuchung gegen Hunnewell Partners , da der Konzern mit Imedi angeblich das wichtigste Propaganda-Instrument einer autoritären Regierung betreibt. Wiederholung mit Ansage: Die Überwachung von US-Diplomaten Wer nun meint, die „Chronika“-Geschichte über den deutschen Botschafter sei bloß grotesk, sollte sich an die Berichte erinnern, die TV Pirveli im Jahr 2022 veröffentlichte. Damals gelangten interne Dokumente des georgischen Sicherheitsdienstes SUS an die Öffentlichkeit. Sie belegten: Amerikanische Diplomaten wurden systematisch und illegal überwacht – mit Foto- und Videomaterial, operativen Vermerken und detaillierten Bewegungsprotokollen. Beispiel gefällig? Am 4. Juli 2021 wurde US-Botschafterin Kelly Degnan bei einer Veranstaltung im „Sheraton Metekhi Palace“ observiert. Die Informationen über ihren Aufenthalt kamen direkt vom Sicherheitschef des Hotels – ein verlässlicher Informant für den Geheimdienst. Auch private Treffen in der Residenz der Botschafterin wurden protokolliert – inklusive Treffen mit Oppositionspolitikern wie Giorgi Vashadze. Wie aus dem Lehrbuch autoritärer Systeme Die Logik dahinter ist altbekannt: Diplomatische Kontakte zur Opposition werden als konspirativ dargestellt, die eigene Bevölkerung soll davon überzeugt werden, dass die Opposition fremdgesteuert sei – im Idealfall direkt vom „dekadenten Westen“. Die Methode wirkt vertraut: Stigmatisieren, isolieren, diskreditieren. Und dabei gleichzeitig jede Form echter Außenpolitik sabotieren. Dass Imedi nun praktisch denselben Vorwurf gegen den deutschen Botschafter erhebt, den SUS schon gegen die Amerikaner inszenierte, ist kaum Zufall. Es handelt sich nicht um Journalismus, sondern um eine Fortsetzung der nachrichtendienstlichen Manipulation – diesmal mediengerecht aufbereitet. In einer Zeit, in der Deutschland (gemeinsam mit der EU) mehr Druck auf die georgische Regierung ausübt, passt es ins Kalkül, die deutsche Diplomatie öffentlich unter Verdacht zu stellen. Sanktionen: Der Westen reagiert – zumindest teilweise Längst gibt es in den USA und Großbritannien nicht nur Kritik, sondern konkrete Maßnahmen. Der republikanische Abgeordnete Joe Wilson , Vorsitzender der Helsinki-Kommission , fordert Sanktionen gegen Irakli Rukhadze persönlich. Auf X schreibt er: „Rukhadze ist Iwanischwilis Hauptpropagandist, besitzt zahlreiche korrupte Vermögenswerte und verbreitet über ‚Imedi‘ Hass gegen Amerika. Sanktionen sind unterwegs.“ Man kann sich fragen, wie lange Europa noch zusehen will, während georgische Sicherheitsstrukturen westliche Diplomaten bespitzeln – und ihre öffentlich-rechtliche Funktion faktisch an Propagandamedien ausgelagert haben. Wenn Cafés zu Tatorten gemacht werden In einem normalen Land würde ein Treffen zwischen einem Botschafter und zivilgesellschaftlichen Akteuren in einem Café als Ausdruck diplomatischer Offenheit gelten. In Georgien – oder besser: im paranoiden Paralleluniversum des Regimes – wird daraus eine staatsgefährdende Verschwörung. Dass solche Erzählungen mittlerweile ausgerechnet von einem Fernsehsender kommen, der eng mit einem US-Staatsbürger verknüpft ist, zeigt die Absurdität der Lage. Georgien spielt mit dem Feuer – und riskiert zunehmend, seine internationalen Partner nicht nur zu verprellen, sondern aktiv gegen sich aufzubringen.
- Uniformierte Willkür: Wenn der Staat zum Angreifer wird
Wenn in einem Land mehr Jugendliche im Gefängnis sitzen als korrupte Beamte, wenn Polizeiautos zu mobilen Folterkammern werden und wenn ein Menschenrechtsbericht ca. 222 Seiten braucht, um all das zu dokumentieren – dann sprechen wir nicht über Belarus. Willkommen in Georgien, 2025. Ein aktueller Abschlussbericht georgischer zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Menschenrechtslage zieht eine bittere Bilanz: Der Staat, der einst als Musterschüler der europäischen Nachbarschaftspolitik galt, ist heute ein Paradebeispiel für die systematische Aushöhlung von Grundrechten. Die zentralen Themen: Polizeigewalt, Misshandlungen, gezielte Repressionen gegen junge Demonstrierende – und ein Justizsystem, das nicht interveniert, sondern exekutiert. Die Straße gehört der Polizei: Repression statt Rechtsstaat Der Bericht dokumentiert dutzende Fälle, in denen Demonstrierende brutal zusammengeschlagen, willkürlich festgenommen und anschließend erniedrigt wurden. Die Verantwortlichen tragen Uniformen, aber keine Identifikationsnummern – ein klassisches Zeichen dafür, dass Gewalt nicht sanktioniert, sondern einkalkuliert ist. Ein besonders verstörender Fall ist der eines 20-jährigen Mannes, der lediglich seine Freundin auf einer Demonstration treffen wollte. Stattdessen wurde er von maskierten Polizisten verfolgt, geschlagen, mit Mord- und Vergewaltigung bedroht. Während er bereits verletzt am Boden lag, wurde er weiterhin beschimpft und sexuell erniedrigt. „Sie sagten: ‚Fahren wir in eine Gasse, filmen wir das, schlagen wir ihn halbtot und werfen ihn irgendwo raus‘“, so der Betroffene. Ein Beamter habe ihm ans Bein gefasst. Als er sich wehrte, wurde er ins Gesicht geschlagen – mit dem Kommentar: „Gibst du mir etwa Kontra?“ Die Misshandlungen endeten nicht auf der Straße. In Polizeiwachen wurden Festgenommene gezwungen, sich auszuziehen, sich in erniedrigenden Positionen hinzustellen und „Geständnisse“ zu wiederholen, während sie gefilmt wurden. Das Ziel ist offensichtlich: Einschüchterung, Demoralisierung, Brechung jedes Widerstands. Wer demonstriert, verliert – seine Rechte Die Jahre 2023 und 2024 markieren eine neue Qualität staatlicher Gewalt. Besonders nach den Protesten gegen das „russische Agentengesetz“ griff die Polizei zu systematischen Verhaftungen. Laut Bericht wurden allein am 7. März 2023 über 140 Personen festgenommen – viele davon ohne Haftbefehl, ohne Begründung, ohne Zugang zu Anwält:innen. Die Demonstrierenden berichten von Schlägen in Bussen, Misshandlungen in dunklen Polizeistationen, und Einschüchterung durch psychische Folter. Ein junger Mann sagte aus: „Sie haben mir ins Gesicht geschlagen, mir gedroht, mich zu vergewaltigen und zu töten. Einer sagte, er würde meine Freundin vergewaltigen und mir das Video schicken.“ Die systematische Natur dieser Repression wird im Bericht mehrfach hervorgehoben: Gewalt gegen Demonstrierende sei kein Ausreißer, sondern institutionell eingebettet. Die Tatsache, dass viele Beamte ihre Gesichter verdecken und keine Identifikation tragen, spricht Bände – nicht über ihr Schamgefühl, sondern über das fehlende Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung. Eine Justiz, die lieber zusieht Was tun Polizei und Regierung? Nichts. Was tun Gerichte? Noch weniger. Zahlreiche Anzeigen wegen Polizeigewalt wurden entweder nie bearbeitet oder sofort eingestellt. Das Innenministerium spricht stattdessen öffentlich von „legitimen Eingriffen zur Aufrechterhaltung der Ordnung“ – eine Formulierung, die in Georgien längst zur Worthülse der Repression geworden ist. Währenddessen werden Gerichtsprozesse gegen Demonstrierende wie Fließbandverfahren abgewickelt. Innerhalb weniger Stunden werden Urteile gefällt, ohne rechtliches Gehör, ohne unabhängige Beweise, oft basierend allein auf den Aussagen der Polizei. In einem Fall wurden drei junge Männer wegen „Nichtbefolgens polizeilicher Anweisungen“ zu Geldstrafen verurteilt – obwohl Videobeweise das Gegenteil belegten. Das Gericht lehnte es ab, das Material zu berücksichtigen. Begründung: „Es sei nicht relevant.“ Gewalt auch gegen Minderjährige Besonders schockierend ist der Umgang mit Jugendlichen. Der Bericht dokumentiert Fälle, in denen 16- und 17-Jährige geschlagen, bedroht und stundenlang festgehalten wurden – ohne elterliche oder anwaltliche Begleitung. Ein 17-Jähriger berichtet, wie er gezwungen wurde, sein Handy-Passwort preiszugeben, während ihm Schläge angedroht wurden. „Sie sagten, ich solle zugeben, dass ich von ausländischen Organisationen bezahlt werde“, berichtet der Schüler. „Als ich fragte, was das soll, wurde ich geohrfeigt.“ Kinderschutz? Ein Fremdwort in einem System, das auf Einschüchterung durch Exempel setzt. Die psychischen und physischen Folgen dieser Misshandlungen werden im Bericht eindrücklich beschrieben – es geht um Angststörungen, posttraumatische Belastung und langfristige soziale Isolation. Internationale Standards? Fehlanzeige. Georgien hat zahlreiche menschenrechtliche Verpflichtungen unterzeichnet – darunter die Europäische Menschenrechtskonvention. Doch während sich das Land auf offizieller Ebene immer wieder als „Reformchampion“ inszeniert, spricht der Bericht eine andere Sprache: ein strukturelles Versagen der Menschenrechtsarchitektur, von oben gedeckt und von unten ausgeführt. Besonders kritisiert wird das Fehlen unabhängiger Kontrollmechanismen. Die Sonderermittlungsbehörde, die eigentlich Polizeigewalt untersuchen soll, ist personell unterbesetzt, institutionell abhängig und politisch gelähmt. Von über 300 Beschwerden wegen Misshandlung wurden nur eine Handvoll weiterverfolgt – Verurteilungen gab es keine. Ein Land schlägt seine Zukunft Was bleibt von einem Staat, der seine kritische Jugend misshandelt, Journalisten einschüchtert und Gerichte als Folie für autoritäre Machtspiele benutzt? Der Bericht antwortet klar: ein Regime, das Angst vor der eigenen Bevölkerung hat – und das genau deshalb mit Gewalt antwortet. Georgien steht am Scheideweg. Während Europa genau hinschaut – oder es zumindest sollte –, zeigt die Realität auf der Straße ein anderes Bild. Dort herrscht nicht das Gesetz, sondern der Schlagstock. Und jeder junge Mensch, der für eine andere Zukunft kämpft, riskiert, sie im Polizeigewahrsam zu verlieren.
- Shalva Papuashvili vergleicht deutsche Unterstützung in Georgien mit Reichsbürgern – Lasha Bakradze kontert deutlich
Dass die georgische Regierung und ihre Vertreter hin und wieder mit kuriosen Vergleichen überraschen, ist nichts Neues. Doch nun hat Parlamentspräsident Shalva Papuashvili einen besonders bizarren Beitrag geliefert, der selbst für georgische Verhältnisse bemerkenswert ist. In einem aktuellen Facebook-Post schreibt Papuashvili: „In Deutschland verbietet die Regierung die sogenannten ‚Reichsbürger‘, da sie die Legitimität der gewählten Regierung nicht anerkennen, parallele Strukturen schaffen, staatliche Entscheidungen boykottieren und behaupten, Deutschland sei von einer Besatzungsmacht kontrolliert.Gleichzeitig finanziert dieselbe deutsche Regierung in Georgien Gruppen, die exakt dasselbe tun: Sie erkennen die Legitimität der georgischen Regierung nicht an, schaffen parallele Strukturen, boykottieren Entscheidungen, behindern Polizeiarbeit und behaupten, Georgien sei von einer Besatzungsmacht kontrolliert.Und das alles geschieht gleichzeitig auf demselben Planeten.“ Ein Vorwurf, der nicht nur absurd wirkt, sondern angesichts Papuashvilis eigener beruflicher Vergangenheit zudem reichlich widersprüchlich ist. Deutliche Reaktion von Lasha Bakradze Auf Papuashvilis erstaunlichen Vergleich antwortete prompt der Historiker Lasha Bakradze , eine der renommiertesten Stimmen der georgischen Zivilgesellschaft. Bakradze stellte klar: „Möchte Herr Papuashvili tatsächlich behaupten, dass die Bundesregierung in Georgien Gruppen unterstützt, die mit deutschen ‚Reichsbürgern‘ vergleichbar sind? Ist ihm die Tragweite einer solchen Aussage bewusst? Oder folgt er blind einem politischen Narrativ, das der Realität nicht standhält?“ Lasha Bakradze, der vor Kurzem unter umstrittenen Umständen als Direktor des Georgischen Nationalen Literaturmuseums entlassen wurde – ein Schritt, den viele als politisch motiviert sehen –, repräsentiert genau jene Stimmen, die in Georgien immer seltener werden: kritisch, unabhängig und demokratisch orientiert. Papuashvilis Vergangenheit: Von der GIZ in den „Georgischen Traum“ Shalva Papuashvili ist dabei keineswegs eine unbekannte Figur in Deutschland. Von 2007 bis 2015 arbeitete er als Teamleiter des GIZ-Programms zur Unterstützung der Rechts- und Justizreformen im Südkaukasus, danach als stellvertretender Programmleiter für das Projekt „Legal Approximation towards European Standards in the South Caucasus“ und von 2017 bis 2020 als Leiter des georgischen Teams im GIZ-Rechtsprogramm. Es ist daher besonders paradox, dass ausgerechnet jemand, der jahrelang im Auftrag einer deutschen Regierungsorganisation demokratische Werte und Rechtsstaatlichkeit fördern sollte, nun genau diese deutsche Unterstützung indirekt als staatsfeindlich brandmarkt. Muss die GIZ Stellung beziehen? Papuashvilis Äußerungen werfen deshalb Fragen auf, die die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) dringend beantworten sollte: Wie bewertet die GIZ, dass ehemalige Mitarbeiter öffentlich Projekte diffamieren, die demokratische und rechtsstaatliche Werte fördern sollen? Welche Konsequenzen zieht man aus solchen öffentlichen Positionierungen ehemaliger leitender Mitarbeiter, die die eigenen Förderziele infrage stellen? Eine klare Stellungnahme der GIZ ist nicht nur angebracht, sondern längst überfällig – auch gegenüber dem deutschen Steuerzahler, dessen Gelder hier zum Einsatz kommen. Warum der Reichsbürger-Vergleich gefährlich ist In Deutschland sind Reichsbürger als radikale, staatsfeindliche und teils gewaltbereite Gruppen bekannt, die den deutschen Staat nicht anerkennen und aktiv bekämpfen. Dass Papuashvili ausgerechnet diese Bewegung mit NGOs gleichsetzt, die sich in Georgien friedlich und transparent für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, ist nicht nur unlogisch, sondern auch gefährlich. Es entsteht der Eindruck, als wolle Papuashvili bewusst demokratische Organisationen diskreditieren, um jegliche kritische Stimme in Georgien zum Schweigen zu bringen. Genau dieses Vorgehen erinnert eher an jene autokratischen Regime, die Georgien eigentlich hinter sich lassen wollte. Wer hier in Parallelwelten lebt, ist offensichtlich Shalva Papuashvilis fragwürdige Vergleiche verdeutlichen vor allem eines: Die politische Elite in Tiflis lebt zunehmend in einer Parallelwelt, in der kritische Stimmen automatisch zu Staatsfeinden erklärt werden. Statt politische Verantwortung zu übernehmen, scheint man lieber Verschwörungstheorien zu fördern. Gerade Deutschland und die GIZ sollten daher ihre Unterstützungspolitik kritisch überdenken – und endlich klare Grenzen ziehen, wem sie künftig eine Plattform bieten wollen und wem nicht. Denn wer tatsächlich demokratische Werte in Georgien verteidigen möchte, braucht starke Partner – keine politischen Opportunisten, die Demokratie nach Belieben verdrehen.
- Partner oder Zuschauer? Georgiens Demokratie dankt Amerika – und wartet auf Deutschland
Am 11. Mai formierte sich in Tiflis ein bemerkenswerter Marsch. Keine empörte Menge, keine Protestbanner, kein Ruf nach Gerechtigkeit. Stattdessen: ein stilles, bewusstes „Danke“. Ziel war die US-Botschaft, Anlass war die klare und unmissverständliche Unterstützung der Vereinigten Staaten für die demokratischen Kräfte Georgiens. Es war eine höfliche Geste – und gleichzeitig ein leiser Vorwurf an jene westlichen Partner, deren Stimme in den letzten Jahren auffällig schwach geblieben ist. Eine Demonstration der Dankbarkeit – und der Enttäuschung. USA: Haltung statt Taktieren Die Vereinigten Staaten haben sich in Georgien einen Ruf erarbeitet, den man mit einem deutschen Begriff beschreiben könnte, der in Berlin zuletzt in Vergessenheit geraten ist: Verlässlichkeit. Washington hat, ob unter Demokraten oder Republikanern, stets jene gefördert, die für demokratische Grundrechte eintreten. Ob investigative Medien, Bürgerrechtsorganisationen oder oppositionelle Abgeordnete – die Amerikaner hatten das richtige Gespür. Sanktionen, klare diplomatische Sprache, gezielte Förderung der Zivilgesellschaft: Das amerikanische Engagement war nicht nur sichtbar, sondern spürbar. Dass Georgier:innen nun öffentlich Danke sagen, ist deshalb keine Inszenierung, sondern schlicht folgerichtig. Deutschland: Zwischen Anstand und Anschlussfähigkeit Ganz anders die Lage auf der anderen Seite des Atlantiks. Berlin, sonst gern moralischer Kompass der Weltpolitik, fiel in der georgischen Krise vor allem durch eines auf: Abwesenheit. Ein besonders illustratives Beispiel: Hubert Knirsch , deutscher Botschafter in Tiflis von 2018 bis 2022. Seine Amtsführung ließ – freundlich formuliert – diplomatische Konsequenz vermissen. Kritische Stimmen werfen ihm vor, sich allzu eng mit der Regierungspartei „Georgischer Traum“ arrangiert zu haben. Pikantes Detail: Seine Ehefrau, Eva-Maria Knirsch , war währenddessen an der Kutaisi International University tätig – einer Institution, finanziert von niemand Geringerem als Bidzina Iwanischwili , dem inoffiziellen Machthaber Georgiens. Dass ein Botschafter der Bundesrepublik Deutschland gleichzeitig familiär mit einer durch Oligarchenmittel gestützten Elitehochschule verbunden ist, wurde in Tiflis – wenig überraschend – nicht als Zufall verstanden, sondern als Zeichen. Und zwar nicht als gutes. Karriere mit Qualitätssiegel „GIZ“ Auch in anderen Fällen wirft die deutsche Unterstützung früherer Jahre heute unangenehme Fragen auf. Shalva Papuashvili , heute Parlamentspräsident, war lange Jahre als Stellvertretende Programmleiter bei der GIZ tätig. Heute verteidigt er mit beachtlichem Eifer das sogenannte „Agentengesetz“, das NGOs mit ausländischer Finanzierung als „Agenten“ brandmarkt – ein juristisches Werkzeug nach russischem Vorbild. Tamar Zodelava , ebenfalls Ex-GIZ, leitet heute die georgische Fördermittelagentur. Unter ihrer Leitung wird das Prinzip der Unabhängigkeit von Zivilgesellschaft offenbar zunehmend durch Loyalitätskriterien ersetzt. Kurz gesagt: Deutsche Organisationen haben Karrieren gefördert, die heute genau jenen Strukturabbau betreiben, den man mit deutschen Steuergeldern eigentlich verhindern wollte. Hoffnung auf Kurswechsel: Peter Fischer und Friedrich Merz Doch es wäre unredlich, die gesamte deutsche Außenpolitik in Sippenhaft zu nehmen. Peter Fischer , seit 2022 deutscher Botschafter in Tiflis, setzt spürbar andere Akzente. Anders als sein Vorgänger spricht Fischer offen über demokratische Rückschritte, kritisiert autoritäre Tendenzen und unterstützt die EU-Integration mit erkennbarer Klarheit. Dass Fischer auch dort Haltung zeigt, wo andere schweigen, hat ihm in Georgien Anerkennung eingebracht – und weckt die Hoffnung, dass Deutschland seine Linie korrigieren könnte. Unterstützt wird dieser Kurs inzwischen auch auf höchster Ebene: Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz hat in seinem außenpolitischen Programm festgeschrieben, dass die EU-Annäherung Georgiens nur dann voranschreiten kann, wenn demokratische Standards gewahrt bleiben. Die Botschaft ist klar: Keine Kompromisse mit Autokraten. Vertrauen ist keine Gefälligkeit Der Marsch zur US-Botschaft war ein Symbol – und eine diplomatische Zustandsbeschreibung. Die Vereinigten Staaten haben Vertrauen verdient – weil sie es in der Vergangenheit gerechtfertigt haben. Deutschland hingegen muss sich dieses Vertrauen erst zurückerarbeiten. Wer demokratische Rhetorik ernst meint, sollte sie nicht bei Empfängen predigen und gleichzeitig an jenen festhalten, die Pressefreiheit abbauen, NGOs kriminalisieren und Wahlen manipulieren. Georgien ist ein europäisches Land mit europäischem Anspruch. Wer diesen Weg unterstützen will, darf sich nicht länger von alten Netzwerken blenden lassen. Danke, Amerika. Und Deutschland? Wir sehen uns beim nächsten Marsch. Photo credit: Radiotavisupleba
- Wenn die britische Regierung „Georgian Dream“ sanktioniert – aber britische Anwälte Menschenrechtsverletzer hofieren
Es gibt Momente, in denen man sich fragt, ob sich die internationale Politik in ein absurdes Theaterstück verwandelt hat – oder ob das alles bittere Realität ist. Willkommen also in Tiflis, wo am 6. Mai 2025 ein ganz besonderes Schauspiel stattfand: Das „English Law Forum“, organisiert von der georgischen Anwaltskammer in Kooperation mit der Law Society of England & Wales , bot georgischen Juristen die einmalige Gelegenheit, Seite an Seite mit britischen Barristers und Solicitors zu diskutieren. Unter ihnen: Oliver Powell KC , ein Schwergewicht der britischen Anwaltschaft, bekannt für seine Arbeit in Wirtschafts- und Unternehmensstrafrecht. Ach, Ironie der Geschichte: Während die britische Regierung öffentlich überlegt, Sanktionen gegen Mitglieder der Regierungspartei „Georgian Dream“ zu verhängen – wegen Angriffen auf die Zivilgesellschaft und demokratische Rückschritte – schickt man gleichzeitig freundliche Juristen-Delegationen nach Tiflis, um mit eben jenen Funktionären juristische Expertise auszutauschen. Wenn das kein Paradebeispiel für britische „pragmatic diplomacy“ ist! Britische Anwälte im Dienste der Rechtsstaatlichkeit – oder doch nur PR? Das Forum begann mit feierlichen Reden. Wer saß da in der ersten Reihe? Niemand Geringeres als David Asatiani , der Vorsitzende der georgischen Anwaltskammer, und Paata Salia , der georgische Justizminister – ein Mann, der sich nicht unbedingt durch die Verteidigung von Pressefreiheit oder richterlicher Unabhängigkeit hervorgetan hat. Auch Gareth Ward , der britische Botschafter, durfte nicht fehlen. Man lobte die Kooperation, sprach von der „Stärkung rechtsstaatlicher Prinzipien“ und träumte wohl leise von einem Tiflis, das irgendwann einmal wie London sein könnte – zumindest juristisch. Und dann trat Oliver Powell KC auf, um auf zwei Panels zu sprechen: über internationale Schiedsgerichtsbarkeit , Asset Tracing , Durchsetzung von Urteilen , Investoren-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit und, natürlich, Rule of Law . Rule of Law? In einem Land, dessen Regierung gerade ein Gesetz zur „Transparenz ausländischer Einflüsse“ durchdrücken will, das in Brüssel als Angriff auf NGOs, Medien und die Zivilgesellschaft gilt? Man muss schon einen sehr britischen Humor haben, um hier noch von Rechtsstaatlichkeit zu sprechen. Zwischen Moral und Marktinteressen Natürlich soll niemand Oliver Powell KC persönlich kritisieren – schließlich ist er einer der führenden Köpfe in Fragen von Unternehmensstrafrecht, Betrugsbekämpfung und Korruptionsbekämpfung. Ein Mann, der Standardwerke zum Proceeds of Crime Act und Bestechungsrecht mitverfasst hat, der regelmäßig in Fällen von Betrug und Regelverstößen auftritt. Aber genau da liegt der Haken: Ein Experte für Korruptionsbekämpfung diskutiert in Tiflis mit einer Anwaltskammer, deren Führungselite selbst als verlängerte Hand der Regierungspartei gilt. Die Ironie schreit zum Himmel. Das „English Law Forum“ diente offiziell der Förderung britischer Rechtsdienstleistungen, besonders im Bereich internationaler Schiedsgerichtsbarkeit und Streitbeilegung in London . Kein Zweifel: Hier ging es auch ums Geschäft. Schließlich ist London als Schiedsplatz ein lukrativer Markt – und Georgien, trotz aller Rückschritte, bleibt ein interessanter Kunde. Dass man dabei mit Regierungsvertretern und Funktionären netzwerkt, die genau jene Menschenrechte bedrohen, die man auf dem Podium beschwört? Geschenkt. Doppelmoral als Markenzeichen? Es ist schwer, diesen Spagat nicht zu bemerken: Einerseits diskutiert die EU Sanktionen gegen georgische Regierungsmitglieder, Großbritannien selbst erwägt ähnliche Maßnahmen, andererseits lässt man genau diese Leute auf internationalen Foren glänzen, Seite an Seite mit angesehenen britischen Juristen. Wenn Sanktionen als Signal gedacht sind, wie glaubwürdig ist es dann, gleichzeitig juristische Kooperationen auf höchster Ebene zu zelebrieren? Natürlich wird man betonen, dass es hier um juristischen Austausch , professionellen Dialog und globale Standards geht. Aber wer genau sind die Profiteure? Die georgische Bevölkerung, die um ihre Freiheitsrechte kämpft? Oder eine juristische Elite, die eng mit der Regierungspartei verbandelt ist? Ein Forum der verpassten Chancen Was bleibt vom „English Law Forum“ 2025 in Tiflis? Ein Treffen, das auf dem Papier rechtsstaatliche Prinzipien stärken soll, in der Realität aber wie ein glamouröses Ablenkungsmanöver wirkt. Die Fotos zeigen strahlende Gesichter, freundliche Gespräche, internationale Kooperation – aber sie blenden aus, dass die georgische Justiz unter wachsendem politischen Druck steht , dass Richter parteinah ernannt werden und dass die Regierung mit repressiven Gesetzen zivilgesellschaftliche Akteure einschüchtert. Vielleicht war es also weniger ein Forum der „Rule of Law“ – sondern ein Forum der Rule of Lobbying . Und während britische Juristen das Glas auf gute Zusammenarbeit heben, bleibt die Frage offen: Wer spricht eigentlich auf den Panels der georgischen Demokratiebewegung?
- „Warum wurde Georgien nicht nach Warschau eingeladen?“ – Ein diplomatischer Wink mit dem Zaunpfahl
Man hätte es sich denken können: Während in Warschau am 8. Mai Vertreter:innen aller EU-Beitrittskandidaten am Tisch saßen, fehlte Georgien . Kein Platz für Tiflis, keine Einladung. Der Grund? Den lieferte der deutsche Botschafter in Georgien, Peter Fischer , in gewohnt diplomatischer Klarheit – eine Klarheit, die der georgischen Regierung vermutlich sauer aufstößt. Kein Platz am Tisch: Die EU zeigt, wie Konsequenz aussieht „Die EU hat im vergangenen Juni beschlossen, hochrangige Kontakte mit der georgischen Regierung auszusetzen, solange die Regierung die aktuelle Krise nicht löst.“ Mit diesem Satz brachte Fischer die Situation auf den Punkt. Keine Polemik, keine Übertreibung, nur die nüchterne Feststellung eines diplomatischen Faktums. Der Ausschluss aus Warschau ist damit keine zufällige Formalität , sondern eine direkte Folge der politischen Rückschritte , die sich Tiflis in den letzten Monaten redlich erarbeitet hat. Während Albanien, Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Bosnien und die Ukraine in Warschau diskutierten, blieb der Platz Georgiens leer – leer wie die Versprechen der georgischen Regierung, europäische Reformen umzusetzen. Glückwünsche mit Botschaft: „Alles Gute zum Europatag!“ Fischer nutzte den Europatag, um den Menschen in Georgien zu gratulieren – und gleichzeitig an das zu erinnern, was auf dem Spiel steht. „Wir glauben, dass Georgien Teil Europas ist, dass Georgien der EU beitreten sollte. Europa ist Freundschaft und Solidarität.“ Worte, die Hoffnung vermitteln, aber gleichzeitig einen klaren Appell an die Zivilgesellschaft enthalten . Denn es liegt nicht an Brüssel, sondern an Georgien, den nächsten Schritt zu machen. „Jeder weiß, was getan werden muss, um beizutreten“, fügte Fischer hinzu. Diese Feststellung ist so einfach wie treffend: Die Bedingungen sind bekannt – aber die georgische Regierung entscheidet sich bisher konsequent dafür, sie zu ignorieren. Ein leerer Stuhl als Mahnung Dass Georgien in Warschau fehlte, ist kein kleiner diplomatischer Fauxpas , sondern eine symbolische Warnung: Wer sich von europäischen Werten entfernt, verliert seinen Platz am Tisch. Die EU hat wiederholt betont, dass Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Schutz der Zivilgesellschaft keine verhandelbaren Extras, sondern Kernbedingungen der Mitgliedschaft sind. Die georgische Regierung hingegen scheint diese Botschaften nicht hören zu wollen – oder schlimmer noch: bewusst zu ignorieren. Man redet weiter von „Integration“, während man Gesetze verabschiedet, die NGOs als „ausländische Agenten“ brandmarken und die Justiz politisieren. So klingt der europäische Chor nicht – so klingt ein Rückzug in autoritäre Muster. Ein „Studentenkreis“ reicht eben nicht für Europa Peter Fischer erinnerte daran, dass nicht nur die Regierung, sondern „das ganze Land“ der EU beitreten müsse: die Bürger:innen, die Zivilgesellschaft, die Institutionen gemeinsam. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass Europa nicht nur ein Vertrag zwischen Eliten, sondern ein gesellschaftliches Projekt ist . Doch während große Teile der Bevölkerung europäisch denken, handelt die Regierung, als wäre Tiflis eine Filiale Moskaus. Die Ausladung aus Warschau ist deshalb kein diplomatischer Unfall , sondern der Preis einer Politik, die Europa ablehnt, während sie es vorgibt zu umarmen. Der Weg bleibt offen – aber nicht ewig Trotz allem zeigte sich Fischer hoffnungsvoll: „Ich hoffe, dass Georgien den Weg der europäischen Integration wieder aufnimmt.“ Ein Hoffnungsschimmer, der sich an die Bürger:innen richtet – und gleichzeitig ein Zeichen dafür ist, dass Europa Georgien nicht aufgegeben hat. Aber diese Hoffnung hat ein Verfallsdatum. Die Tür nach Europa bleibt offen – doch wer sich weigert, hindurchzugehen, wird irgendwann vor verschlossenen Toren stehen. Und während die Regierung in Tiflis weiter in den Spiegel schaut und sich selbst als europäisch bezeichnet, stellen sich die europäischen Partner längst die Frage: Wie viele Chancen braucht Georgien noch, bevor die Geduld endgültig aufgebraucht ist?
- Tbilisi State University: Zwischen Hörsaal und Überwachungsstaat – Willkommen im Jahr 1984
Es klingt wie ein schlechter Witz, aber leider ist es keiner: Die Tbilisi State University (TSU) hat sich offenbar in ein Außenbüro des georgischen Staatssicherheitsdienstes verwandelt. Wo früher Diskussionen über Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat geführt wurden, herrscht heute die leise Angst vor Bespitzelung – und das mitten in einem Land, das sich der europäischen Integration verschrieben hat. Ach, Georgien, wie hast du’s nur geschafft, so schnell so weit zurückzurudern? Agenten statt Assistenten: Wenn die Seminararbeit plötzlich ein Geheimdienstbericht ist Die Namen Herr Kharjevanidze und Herr Shamatava geistern inzwischen wie düstere Legenden durch die Flure der Universität. Offiziell tauchen sie nirgendwo auf, aber inoffiziell weiß längst jeder, wer hier wessen Auftrag ausführt. Laut internen Kreisen arbeiten diese Herren als Agenten des Staatssicherheitsdienstes – ihre Mission: die Erfassung und Katalogisierung oppositionell eingestellter Dozent:innen und Studierender. Wissenschaftlicher Diskurs? Fehlanzeige. Stattdessen wird die Anwesenheitsliste zur Verdächtigenkartei. Die Informationsweitergabe an die Behörden ist dabei nur der erste Schritt. Was danach folgt, ist ein sorgfältig choreografiertes Schauspiel der Repression. Wer sich kritisch äußert, findet sich schneller auf der Abschussliste wieder, als er „akademische Freiheit“ sagen kann. Seminar oder Straflager? Die Universität als Bühne für staatliche „Strafoperationen“ Besonders eindrucksvoll – oder sollte man sagen: erschreckend – manifestierte sich dieses neue Verständnis von „Campus-Sicherheit“ während einer Vorlesung von Irakli Kobakhidze . Während draußen Studierende einen friedlichen Protest organisierten, inszenierte der Staat eine Art Lehrstück in praktischer Repression: Maskierte Schlägertrupps griffen die Protestierenden an, während die Polizei, vertreten durch keinen Geringeren als Goga Memanishvili , stoisch zusah. Oder war es doch aktive Komplizenschaft? Die Videoaufnahmen sprechen jedenfalls Bände: Kein Angreifer wurde festgenommen, keine Ermittlungen eingeleitet – stattdessen kursierte plötzlich das Narrativ, die Studierenden hätten die Eskalation provoziert. Klassiker der Täter-Opfer-Umkehr , fast schon nostalgisch für alle, die die Kommunikationsstrategien autoritärer Regime studieren. Okhanashvili: Der Mann, der lieber Stasi als Staat macht Anri Okhanashvili , Im Hintergrund zieht ein altbekannter Name die Fäden: Anri Okhanashvili , frisch beförderter Chef des Staatssicherheitsdienstes. In der Vergangenheit liebte er es, sich auf deutsche Rechtsmodelle zu berufen – zumindest solange es der eigenen Machtsicherung diente. Ironischerweise scheint er sich dabei weniger an den Prinzipien der Bundesrepublik orientiert zu haben, sondern eher an der Staatssicherheit der DDR , auch bekannt als Stasi. Man fragt sich unweigerlich: Hat Okhanashvili einen Reiseführer „Geheimdienste Europas“ gelesen – und einfach das falsche Kapitel markiert? Denn was sich derzeit an der TSU abspielt, erinnert fatal an die Praktiken der DDR-Geheimpolizei: Spitzel unter den Studierenden, ideologische Säuberungen unter den Dozent:innen, Manipulation von Berufungsverfahren und systematische Einschüchterung. Vom Hörsaal zum „ideologischen Kampfgebiet“: Herzlichen Glückwunsch, TSU! Die Parallelen sind erschütternd. In der DDR war es die erklärte Aufgabe der Stasi, Universitäten zu überwachen, zu steuern und ideologisch zu reinigen. Kritische Forschungsansätze wurden verboten, „unzuverlässige“ Wissenschaftler:innen entfernt, inoffizielle Mitarbeiter platziert, um selbst die privatesten Gespräche zu belauschen. Und jetzt? Genau dieses Drehbuch scheint auch in Tbilisi Anwendung zu finden. Wer zu laut denkt, wird zum Feind erklärt. Wer wagt, Fragen zu stellen, wird isoliert. Wer sich organisiert, wird kriminalisiert. Die Universität wird so nicht zum Ort der Wissensproduktion, sondern zum ideologischen Schlachtfeld einer Regierung, die sich mehr vor abweichenden Meinungen fürchtet als vor internationaler Kritik. „Studentische Selbstverwaltung“ oder doch nur die Nachwuchsabteilung des Geheimdienstes? Und als ob das alles nicht schon absurd genug wäre, spielt auch die studentische Selbstverwaltung eine fragwürdige Rolle in diesem System. Seit 2006 , als das Bildungsministerium die Wahlordnung für die studentische Selbstverwaltung nach einem neuen Modell festlegte, äußerten kritische Stimmen bereits den Verdacht, dass hier nicht die Unabhängigkeit der Studierenden gestärkt, sondern vielmehr ein Rekrutierungsbüro für den Staatssicherheitsdienst geschaffen wurde. Tatsächlich hat sich die studentische Selbstverwaltung in den letzten Jahren immer mehr zu einem politischen Klüngelverein privilegierter Studierender entwickelt – ein Pendant zu den früheren „Studentenwerken“ unter autoritären Regimen. Statt die Interessen der Studierenden zu vertreten, dient sie als verlängerter Arm der Universitätsleitung und damit der Regierung. Sie organisiert nicht Proteste, sondern sorgt dafür, dass es erst gar keine gibt. Sie kritisiert nicht die Machthaber, sondern verteidigt sie. Sie ist nicht Stimme der Studierenden – sie ist deren Überwachungsorgan. Die Ironie ist kaum zu überbieten: Aus einer Organisation, die ursprünglich zur Förderung der studentischen Teilhabe geschaffen wurde, ist ein Werkzeug geworden, um abweichende Stimmen zu kontrollieren, zu manipulieren und zu unterdrücken. Ein trauriger Abgesang auf die Idee studentischer Autonomie – und ein weiteres Beispiel dafür, wie tief die autoritären Tentakel des Staates bereits ins universitäre Leben vorgedrungen sind. Freiheit? Ach, das war doch nur ein kurzes Erasmus-Semester Besonders bedrückend ist die vollkommene Stille von offizieller Seite. Kein Aufschrei, keine Debatte, keine Transparenz. Stattdessen ein verstörendes Schweigen, das nur eins signalisiert: Man hat sich längst mit dem Überwachungsstaat auf dem Campus arrangiert – oder war selbst federführend daran beteiligt. Und währenddessen feiert sich die Regierung weiter als treibende Kraft europäischer Integration. Ironisch, dass man dabei einen der grundlegendsten europäischen Werte, die akademische Freiheit , mit Füßen tritt. Artikel 78 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat, die Integration in die Europäische Union voranzutreiben. Doch wie soll ein Land diesen Weg gehen, wenn die Universitäten nicht einmal die Freiheit garantieren können, zu lehren und zu lernen, ohne bespitzelt zu werden? Mut ist ansteckend – Repression leider auch Die eigentliche Tragik liegt darin, dass diese Entwicklung in einem Land stattfindet, das sich selbst als demokratisch versteht. Georgien steht an einem Scheideweg: Will es den Weg der offenen Gesellschaft, der Freiheit und der Demokratie gehen – oder den Weg der Überwachung, Repression und ideologischen Gleichschaltung? An der TSU jedenfalls weht derzeit ein kalter Wind aus der Vergangenheit. Und wie wir aus der Geschichte wissen: Wer Universitäten knebelt, legt die Axt an die Wurzeln einer freien Gesellschaft. Die Hoffnung liegt jetzt bei den Studierenden und den wenigen unerschrockenen Dozent:innen, die sich diesem Druck nicht beugen. Denn am Ende gilt: Die Geschichtsbücher werden nicht von den Mitläufern geschrieben, sondern von denen, die den Mut hatten, Nein zu sagen.
- Ein Blick auf die „Corruption Map“: Transparenz International enthüllt Georgiens korrupte Elite – und der Staat? Schweigt.
Transparenz International Georgien hat mal wieder das getan, wozu sich die georgischen Strafverfolgungsbehörden offenbar konsequent weigern: Sie haben hingeschaut. Und nicht nur das – sie haben jetzt auch eine interaktive „Corruption Map“ ( https://www.corruptionmap.ge ) veröffentlicht, die öffentlich zugängliche Hinweise auf hochrangige Korruptionsfälle in Georgien visualisiert. Na, wenn das kein bitter nötiges Instrument in einem Land ist, in dem Korruption auf höchster Ebene inzwischen so normal ist wie der Morgenkaffee im Regierungsgebäude. Denn was diese Karte offenbart, ist, gelinde gesagt, erschütternd: 231 dokumentierte Fälle von „Elitekorruption“ , die sich wie ein dunkler Schatten über die georgische Politik, Justiz und Verwaltung legen. In diese Skandale verwickelt: 207 hochrangige Amtsträger , darunter 34 Minister oder Vizeminister , 37 Abgeordnete , 16 Richter und 62 lokale Funktionäre . Allein im letzten Monat kamen sieben neue Fälle hinzu. Offenbar schläft die Korruption genauso wenig wie die Regierung, die sie deckt. Von Kleptokratie und anderen georgischen Alltagserfahrungen Während Georgien im „Corruption Perceptions Index“ von Transparenz International regelmäßig mittelmäßige Werte erzielt, zeichnet sich ein klarer Trend ab: Die kleinen Alltagsbestechungen mögen abgenommen haben – aber die große, elitäre Korruption hat sich stattdessen so tief in den Staatsapparat gefressen, dass Experten längst von einer „Staatsübernahme“ sprechen. Ja, Sie haben richtig gelesen: Georgien steuert geradewegs auf eine Kleptokratie zu, in der die politische Elite die Staatskasse offenbar als ihren privaten Sparstrumpf betrachtet. Der Einfluss des „Gründervaters der Regierungspartei“ (wir nennen hier natürlich keine Namen, aber jeder weiß, wer gemeint ist…) auf die Institutionen des Staates wird von internationalen Beobachtern bereits als Paradebeispiel für diese staatliche Vereinnahmung gewertet. Kein Wunder, dass von den 231 dokumentierten Korruptionsfällen kein einziger zu einer ernsthaften strafrechtlichen Konsequenz für die oberen Ränge geführt hat. Immerhin, auf lokaler Ebene wurden tatsächlich ein paar Bürgermeister und ein Ex-Gouverneur festgenommen – die Bauernopfer der georgischen Antikorruptionspolitik. Ermittlungen? Ach was – wir sind hier doch nicht in Skandinavien! Besonders peinlich ist dabei die Rolle der Generalstaatsanwaltschaft und des Staatssicherheitsdienstes (SUS) . Trotz gesetzlicher Pflicht, Ermittlungen bei Bekanntwerden potenzieller Straftaten einzuleiten, haben diese Behörden die meisten Fälle einfach… nun ja… ignoriert. Anfragen von Transparenz International? Werden einfach ausgesessen. Öffentlich einsehbare Informationen über eingeleitete Verfahren? Fehlanzeige. Willkommen im georgischen „Transparenz“-Staat. Dabei fordert nicht nur die georgische Zivilgesellschaft seit Jahren eine unabhängige Antikorruptionsbehörde. Auch die EU, die OECD und das Europäische Parlament mahnen gebetsmühlenartig an, dass Korruption auf höchster Ebene ernsthaft bekämpft werden muss. Die EU-Kommission hat die Unabhängigkeit einer solchen Behörde sogar zur Bedingung für den Kandidatenstatus gemacht. Aber solange die Ermittlungen in den Händen derselben Institutionen bleiben, die politisch weisungsgebunden und durch die Regierungspartei unterwandert sind, bleibt das wohl ein frommer Wunsch. „Corruption Map“ als unbequemer Spiegel Mit der neuen Plattform liefert Transparenz International Georgien nicht nur eine beeindruckende Datenbank, sondern auch einen unbequemen Spiegel für die georgische Gesellschaft – und vor allem für die Regierung. Jeder einzelne Fall ist mit Details dokumentiert, inklusive der beteiligten Personen, der Art der Vorwürfe und dem aktuellen Stand (Spoiler: fast überall „keine Ermittlungen“). Besonders perfide: Die georgischen Behörden veröffentlichen nicht einmal begründete Entscheidungen, warum sie keine Ermittlungen aufnehmen. Damit verstößt Georgien nicht nur gegen internationale Standards, sondern auch gegen seine eigenen Gesetze. Aber wen interessiert schon Rechtsstaatlichkeit, wenn Macht und Einfluss gewahrt bleiben müssen? Eine Landkarte des Misstrauens – oder der Hoffnung? Die „Corruption Map“ ist mehr als nur ein digitales Archiv: Sie ist ein Werkzeug der Demokratie und der öffentlichen Rechenschaftspflicht. Sie gibt Journalist:innen, Aktivist:innen und Bürger:innen ein Mittel an die Hand, Korruption sichtbar zu machen und Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Gleichzeitig entlarvt sie die georgische Antikorruptionspolitik als Farce – ein Spiel, dessen Regeln längst von denen geschrieben werden, die es eigentlich kontrollieren sollten. Ironischerweise liegt die Lösung schon seit Jahren auf dem Tisch: Die Schaffung einer unabhängigen, mit echten Befugnissen ausgestatteten Antikorruptionsbehörde , die außerhalb der Reichweite politischer Einflussnahme arbeitet. Doch solange die georgische Regierung lieber ihre eigenen Netzwerke schützt als ernsthaft aufzuräumen, bleibt die „Corruption Map“ wohl das digitale Mahnmal eines Staates, der sich selbst sabotiert. Aber wer weiß – vielleicht ist genau diese Karte der erste Schritt, die Strukturen aufzubrechen. Oder zumindest ein digitales Zeugnis dafür, dass die georgische Öffentlichkeit nicht bereit ist, die Augen vor der Korruption zu verschließen, die längst vom Ausnahme- zum Normalzustand geworden ist. Und der Staat? Der sitzt derweil da, dreht Däumchen – und hofft, dass niemand so genau hinsieht. Blöd nur, dass jetzt alle hinschauen können.
- „Georgischer Traum“ als AfD-Fanclub? Ein peinliches Bekenntnis zur deutschen Extrempartei
Es gibt Momente, da fragt man sich wirklich, ob in Tiflis die Ironie noch lebt oder schon längst an Überdosis Propaganda gestorben ist. Jüngstes Beispiel: Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ hat öffentlich Sympathie für niemand Geringeren als die deutsche „Alternative für Deutschland“ (AfD) bekundet – ja, genau die Partei, die in Deutschland gerade erst offiziell als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Und als wäre das nicht schon grotesk genug, lobte Levan Matschawariani, ein Vertreter der Partei, die AfD als „wirklich patriotische Kraft“, die sich mutig gegen den sogenannten „Deep State“ stelle – eine Vokabel, die wir sonst aus den dunkelsten Ecken verschwörungsideologischer Telegram-Kanäle kennen. Offenbar reicht der „patriotische Kampf“ des „Georgischen Traums“ jetzt bis zu den politischen Rändern Deutschlands. Eine Partei, die Georgiens territoriale Integrität infrage stellt Dabei scheint es „Georgischer Traum“ herzlich egal zu sein, dass die AfD nicht nur anti-EU ist, sondern auch die territoriale Integrität Georgiens offen infrage gestellt hat. 2019 reisten die AfD-Abgeordneten Stefan Keuter und Gunnar Lindemann als „Wahlbeobachter“ ins von Russland besetzte Abchasien – ein klarer Verstoß gegen die Linie der internationalen Gemeinschaft und ein Affront gegenüber Georgiens Souveränität. Dass ausgerechnet diese Partei jetzt vom „Georgischen Traum“ als Verbündete gefeiert wird, spricht Bände. Offenbar sucht die Regierung ihre internationalen Freunde dort, wo Rechtsstaatlichkeit und europäische Werte keine Rolle spielen. Ein „patriotisches Bündnis“ gegen den Westen? In der Logik von Matschawariani ist die AfD nicht etwa ein Problem, sondern eine Inspiration: „Gerade weil die AfD nicht dem Deep State gehorcht, ist sie dem globalen Kriegstreiber ein Dorn im Auge“, schwärmte er. Man fragt sich, wer in Tiflis eigentlich noch ernsthaft glaubt, dass eine Partei, die den Austritt Deutschlands aus der EU fordert, ein verlässlicher Partner für Georgiens europäische Zukunft sein könnte. Denn während Deutschland in seinem aktuellen Koalitionsvertrag betont, nur jene proeuropäischen Kräfte in Georgien zu unterstützen, die sich klar zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und europäischer Integration bekennen, flirtet „Georgischer Traum“ lieber mit Kräften, die genau das Gegenteil wollen. Ein Schlag ins Gesicht für Georgiens europäische Ambitionen Dass „Georgischer Traum“ Sympathien für eine Partei hegt, die in Deutschland als verfassungsfeindlich gilt, ist nicht nur politisch töricht, sondern ein klarer Affront gegen die europäischen Partner Georgiens . Es sendet die Botschaft: Wir suchen keine Freunde in Brüssel oder Berlin – wir suchen Komplizen bei denjenigen, die Europa schwächen wollen. Es ist eine bittere Ironie: Während die Mehrheit der georgischen Bevölkerung fest an den EU-Beitritt glaubt, spielt die eigene Regierung mit politischen Kräften, die den europäischen Traum zerstören wollen. Vielleicht sollte man in Tiflis weniger Zeit in den Kommentarspalten verschwörungstheoretischer Kanäle verbringen und stattdessen einmal den deutschen Verfassungsschutzbericht lesen. Spoiler: Wer sich auf die AfD als „patriotische Kraft“ beruft, hat Demokratie offenbar nicht verstanden. Und für deutsche Partner, die sich fragen, welche Kräfte in Georgien tatsächlich demokratisch, europäisch und rechtsstaatlich orientiert sind, liefert diese Episode zumindest eine klare Antwort: Die Regierung ist es leider nicht.
- Wer kämpft wirklich für Demokratie in Georgien? Was Deutschland jetzt wissen muss
Im aktuellen Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung unter Friedrich Merz steht es klar und deutlich: Deutschland verpflichtet sich, weltweit demokratische Kräfte zu schützen und zu stärken. Das betrifft nicht nur große geopolitische Konflikte, sondern explizit auch Länder wie Georgien, deren EU-Annäherung daran geknüpft ist, dass „kein Zweifel mehr an der Wahrung demokratischer Prozesse besteht“. Klingt gut – nur: Wer sind diese demokratischen Kräfte eigentlich? Und wie können deutsche Organisationen sicherstellen, dass sie die Richtigen unterstützen? Demokratische Kräfte erkennen: Zwischen Schein und Wirklichkeit Die georgische Regierung hat in den letzten Jahren alles daran gesetzt, demokratische Strukturen zu schwächen. Mit dem neuen „FARA“-Gesetz (Foreign Agents Registration Act), das im April 2024 beschlossen wurde, müssen NGOs, die ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als „ausländische Agenten“ registrieren. Damit werden sie öffentlich stigmatisiert, und ihre Arbeit wird massiv behindert. Doch es gibt Organisationen, die sich nicht einschüchtern lassen – und genau dort sollten deutsche Unterstützungsprogramme ansetzen. Diese NGOs kämpfen an vorderster Front Ein herausragendes Beispiel ist die Georgian Young Lawyers’ Association (GYLA) . Sie stellt verletzten Demonstrant:innen und zu Unrecht Verhafteten kostenlosen Rechtsschutz bereit. Ihre Anwält:innen sind oft die letzte Hoffnung für Menschen, die von der Polizei misshandelt oder vor Gericht gezerrt werden. Transparency International Georgien ist ein weiterer zentraler Akteur. Die Organisation deckt weiterhin Korruptionsskandale auf und scheut sich nicht, die Machenschaften der Mächtigen öffentlich zu machen – trotz wachsender Drohkulissen. Das Social Justice Center (EMC) schließlich kämpft für soziale Gerechtigkeit, den Schutz marginalisierter Gruppen und die Einhaltung grundlegender Menschenrechte. Gerade weil die georgische Regierung versucht, diese Themen aus der öffentlichen Diskussion zu drängen, sind EMCs Arbeit und Stimme wichtiger denn je. Diese Organisationen stehen stellvertretend für eine mutige Zivilgesellschaft, die unter extremem Druck arbeitet und dennoch nicht aufgibt. Universitäten: Kein Ort des freien Denkens mehr Während NGOs und Aktivist:innen in Georgien mutig gegen Repression kämpfen, haben die staatlichen Universitäten ihre Rolle als unabhängige Bildungsstätten fast vollständig eingebüßt. Die Tbilisi State University (TSU), ehemals ein Leuchtturm akademischer Freiheit, ist heute fest in den Händen der Regierung. Kritische Forschungsprojekte werden gezielt blockiert, oppositionelle Professor:innen entlassen, und akademische Debatten über politische Themen finden, wenn überhaupt, nur noch im Verborgenen statt. Besonders alarmierend war im November 2024 die Entscheidung der Universitätsleitung, der Polizei den Einsatz gegen friedliche Demonstranten direkt auf dem Universitätsgelände zu erlauben. Videos, die das brutale Vorgehen der Polizei dokumentierten, sorgten unter Studierenden und Lehrenden für Empörung. Der renommierte Soziologe Iago Kachkachishvili forderte öffentlich eine Erklärung vom Rektor und warnte davor, dass die Nutzung der Universität für staatliche Repressionsmaßnahmen die akademische Integrität zerstöre. Schon im April 2024 hatte die Universitätsleitung eine geplante Diskussion über das umstrittene „FARA“-Agentengesetz verhindert – ein Gesetz, das NGOs verpflichtet, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren. Studierende berichteten von wachsendem Druck und gezielten Repressionen, wenn sie sich kritisch gegenüber der Regierung äußerten. Diese Entwicklungen zeigen deutlich: Die TSU – und mit ihr andere staatliche Universitäten – sind keine neutralen Bildungsstätten mehr. Sie dienen zunehmend als Werkzeuge zur Stabilisierung der Regierungsnarrative und zur Unterdrückung kritischer Debatten. Für internationale Partner, vor allem aus Deutschland, ist daher Vorsicht geboten. Wer mit georgischen Hochschulen kooperieren möchte, muss genau prüfen, ob akademische Freiheit dort tatsächlich noch existiert – oder ob man es lediglich mit einer Fassade zu tun hat, hinter der die Regierung längst das Sagen hat. In einem Land, in dem sogar das Universitätsgelände zum Einsatzort der Polizei wird, ist der Begriff „unabhängige Forschung“ nichts weiter als eine leere Worthülse. Warum Deutschland jetzt handeln muss Der Koalitionsvertrag ist ein Versprechen – doch ein Versprechen ohne Taten bleibt leer. Wer in Georgien die Demokratie stärken will, darf sich nicht auf schöne Etiketten und Hochglanzbroschüren verlassen. Deutsche Organisationen müssen gezielt die Akteure unterstützen, die trotz Repressionen, Diffamierungen und Gewalt für demokratische Prinzipien kämpfen. Es geht nicht darum, „irgendwann“ zu helfen oder „wenn es politisch passt“. Der Moment zum Handeln ist jetzt. Denn die Entscheidung, ob Georgien seinen Weg Richtung Europa weitergeht oder in den autoritären Abgrund abrutscht, fällt nicht in der Zukunft – sie fällt heute.
- Aktivistin mit russischen Methoden attackiert: Pfefferspray, grüne Farbe und eine klare Botschaft
Vor wenigen Stunden veröffentlichte die georgische Aktivistin Nutsa Macharadze auf Social Media ein schockierendes Video: „Seit einem Monat verfolgen sie mich und Keti. Vor 15 Minuten hat uns ein Nichtsnutz am Aufzug abgefangen, uns Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, grüne Farbe übergossen und uns hinterhergerufen: ‚Eure Nazi-Mutter fick** ich!‘ Den Rest erzähle ich später.“ Damit kein Missverständnis entsteht: Hier geht es nicht um irgendeine Menschenrechtsanwältin oder Bürgerrechtlerin im klassischen Sinn, sondern um eine junge Aktivistin, die aktiv an Demonstrationen teilnimmt, sich öffentlich für Proteste engagiert und damit ins Visier derer gerät, die lieber schweigende, folgsame Bürger:innen hätten. Russische Handschrift am georgischen Lift? Alexei Navalny after a zelyonka attack in Moscow (2017) Wer sich mit der jüngeren russischen Geschichte beschäftigt, erkennt sofort das Muster. 2023 wurde die bekannte „Nowaja Gaseta“-Journalistin Elena Milashina in Tschetschenien überfallen: Maskierte Angreifer, brutale Schläge, Glatze zwangsweise rasiert, das Gesicht mit grüner Farbe – sogenannter „Selyonka“ – überschüttet. Der Überfall war ein unmissverständliches Signal: Wer sich einmischt, wer berichtet, wer Kritik übt, wird öffentlich gedemütigt, gebrochen und mundtot gemacht. Und als ob es ein Handbuch dafür gäbe, wiederholt sich nun dieselbe Szene in Tiflis: Eine junge Aktivistin, die regelmäßig bei Protesten auf der Straße steht, wird physisch attackiert, beleidigt und mit denselben einschüchternden Methoden traktiert. Ach, welch ironisches Bild für ein Georgien, das doch angeblich auf dem Weg nach Europa ist! Die georgische „Friedenspolitik“ à la „Georgischer Traum“ Natürlich wird die Regierung jetzt betonen, dass man „solche Vorfälle ernst nehme“ – vielleicht sogar ein Ermittlungsverfahren ankündigen. Aber Hand aufs Herz: Wer glaubt noch ernsthaft, dass die Polizei, die ohnehin seit Monaten friedliche Demonstrant:innen zusammenschlägt, plötzlich die Aktivist:innen vor Übergriffen schützt? Hier geht es längst nicht mehr nur um fehlenden Schutz. Hier wird gezielt ein Klima der Angst erzeugt. Ein Klima, das den russischen Methoden so sehr gleicht, dass man sich fragt, ob die Hand, die hier im Dunkeln agiert, wirklich nur die eines fanatischen Einzeltäters war. Oder steckt dahinter doch ein größeres, systematisches Netzwerk, das politisch missliebige Stimmen einschüchtern soll? Vergleich zu Alexei Nawalny: Die „Zelyonka“-Taktik Auch in Russland wurde diese Methode längst erprobt: Alexei Nawalny, bekanntester russischer Oppositionspolitiker, wurde 2017 gleich zweimal mit „Zelyonka“ attackiert. Die grüne Farbe ist nicht nur schwer abwaschbar, sondern hinterlässt auch eine symbolische Narbe: Wer markiert wird, wird öffentlich gebrandmarkt. Diese Methode ist perfide, weil sie das Opfer nicht nur körperlich, sondern auch sozial angreift – es geht um Demütigung, um die Botschaft „Wir können dich treffen, wann immer wir wollen.“ Zwischen Gift und Erwachen Es gibt einen bitteren Unterschied: Während der Kreml sein Gift langsam, tropfenweise verteilt, erleben wir in Georgien derzeit eine Art Überdosis. Überwachungsstaat, Polizeigewalt, Fake-Gesetze gegen angebliche „ausländische Agenten“ – all das kommt hier nicht schleichend, sondern in einem Tempo, das entweder zur völligen Lähmung der Gesellschaft oder – man darf hoffen – zu einem überfälligen Erwachen führt. Denn eines ist klar: Jede Sprühdose, jedes Pfefferspray, jeder Angriff gegen eine junge Demonstrantin ist auch ein Angriff gegen das demokratische Fundament Georgiens. Wenn jetzt keine breite Solidarität aus Zivilgesellschaft, internationaler Gemeinschaft und Medien kommt, dann wird die nächste grüne Farbe nicht auf der Kleidung der Aktivist:innen landen, sondern auf dem weißen Leichentuch der georgischen Demokratie. Der Angriff auf Nutsa Macharadze ist kein Zufall, kein Einzelfall, kein Missverständnis. Er ist ein weiteres Glied in einer Kette gezielter Einschüchterungen, die zeigen, wie sehr sich Georgien von europäischen Werten entfernt und dem russischen Modell nähert. Das Land steht am Scheideweg: Will es weiter passiv bleiben und hoffen, dass die Gewalt irgendwann von selbst aufhört? Oder ist dieser Überfall der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Eines steht fest: Wer jetzt noch schweigt, macht sich mitschuldig.
- Neuer Richter in Georgiens Justizrat: Ein weiteres Kapitel der „transparenten“ georgischen Justiz
Die georgische Justiz überrascht mal wieder – und zwar nicht mit Fortschritt, sondern mit einer Parodie auf Transparenz und Integrität. Auf der jüngsten Richterkonferenz wurde Levan Mikaberidze, Richter am Obersten Gerichtshof, mit beeindruckenden 290 Stimmen ohne eine einzige Gegenstimme als neues richterliches Mitglied in den Hohen Justizrat gewählt. Was für eine überwältigende Einigkeit! Natürlich rein zufällig, versteht sich. Mikaberidze übernimmt den Posten, nachdem der bisherige Ratsmitglied Rezo Nadaraya das Gremium verlassen hat – angeblich wegen seines „geehrten Wechsels“ zum Vorsitz des Verfassungsgerichts. Laut Richter Levan Murusidze, einem anderen gewichtigen Mitglied der georgischen Justizelite, war das alles eine Frage des Respekts und der Ehre. Schließlich ist das Verfassungsgericht ja ein so erhabener Ort, dass man dafür doch gerne den Justizrat hinter sich lässt. Ob es hier vielleicht auch andere politische oder strategische Gründe gab? Darüber schweigt man sich lieber aus. Mikaberidze: Das glänzende Aushängeschild der georgischen Justiz? Und wer ist dieser Levan Mikaberidze? Ein makelloser Hüter des Rechts? Nun, nicht ganz. Laut den vorliegenden Informationen gehört Mikaberidze dem berüchtigten „Clan“ innerhalb der georgischen Justiz an – einem Netzwerk einflussreicher Richter, das schon lange als Symbol der Intransparenz und politischer Einflussnahme gilt. Transparency International Georgia : Pikantes Detail: Mikaberidze hat in seiner Vermögenserklärung für das Jahr 2024 nicht nur eine, sondern gleich zwei Immobilien seiner Ehefrau einfach unterschlagen . Konkret geht es um: ein 984 m² großes Grundstück mit Haus im Dorf Kveda Salibauri (Municipality Khelvachauri) ein weiteres 520 m² großes Grundstück im gleichen Dorf Nach dem georgischen Gesetz zur Korruptionsbekämpfung hätte Mikaberidze diese Vermögenswerte deklarieren müssen. Hat er aber nicht. Und trotzdem, oder gerade deshalb, wurde er mit einstimmiger Richtermehrheit in den Justizrat gehievt. Was für ein Zufall! Die EU schaut zu – und wartet vergeblich auf Reformen Für Georgien ist diese Personalie weit mehr als nur ein internes Richter-Karussell. Laut den Empfehlungen der EU-Kommission ist die Überprüfung der Integrität genau solcher Richter eine der zentralen Bedingungen für den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Das betrifft nicht nur Mitglieder des Justizrats, sondern auch die Richter:innen am Obersten Gerichtshof und alle, die in solche Schlüsselpositionen gehoben werden sollen. Aber statt Integritätsprüfungen, Transparenz und einer unabhängigen Justiz erleben wir hier ein Schauspiel, das an kafkaeske Verhältnisse erinnert. Ein Richter, der Vermögen verschweigt, wird mit stehenden Ovationen in die Institution gewählt, die über die Besetzung und Disziplin von Richtern wacht. Und die Kritik? Ach bitte, nicht stören! Natürlich gibt es Kritiker:innen, aber die sitzen nicht auf der Richterbank, sondern draußen auf der Straße. Während drinnen gewählt und gefeiert wurde, protestierten draußen Familienangehörige von inhaftierten Aktivist:innen gegen das System, das ihre Kinder und Freunde mit zweifelhaften Verfahren hinter Gitter gebracht hat. Aus ihren Reihen hallte es: „Sklaven!“ – gerichtet an jene, die sich hinter den Mauern der georgischen Justiz verschanzen. Doch Richter wie Dimitri Gvritishvili lassen solche Vorwürfe nicht gelten. Ganz im Gegenteil: Er sprach sich auf der Konferenz vehement gegen „ungerechte Sanktionen“ aus, die die EU und die USA gegen georgische Richter und deren Familien verhängen. Laut Gvritishvili überschreitet es „alle Grenzen“, nicht nur Richter, sondern auch deren Angehörige zu sanktionieren – als ob das eigentliche Problem die Sanktionen und nicht die systemische Korruption und die politische Steuerung der Justiz wäre. Georgische Regierung und Justiz: Hand in Hand Richtung Abgrund? Wenn Georgien wirklich den Weg in Richtung EU einschlagen will, dann braucht es nicht noch mehr Mikaberidzes im Justizrat, sondern echte Reformen. Eine Justiz, die sich selbst kontrolliert, ihre Netzwerke schützt und dabei offenkundige Gesetzesverstöße ignoriert, ist nicht reformfähig – sie ist ein Risiko für die gesamte Gesellschaft. Doch anstatt diese Probleme anzugehen, spielt die georgische Regierung weiter auf Zeit. Kritische Stimmen werden ignoriert, missliebige Aktivist:innen weggesperrt, und der Justizapparat dreht sich im eigenen, hermetisch abgeriegelten Zirkel. Man kann nur hoffen, dass Brüssel genau hinschaut – und dass die georgische Bevölkerung sich nicht von schönen Worten und großen Versprechen täuschen lässt. Noch ein Schritt weg von Europa Levan Mikaberidzes Wahl in den Justizrat ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom. Ein Symptom für die Blockadehaltung eines Systems, das sich jeder echten Erneuerung verweigert. Die EU hat Georgien klar gemacht, dass Rechtsstaatlichkeit und Integritätsprüfungen nicht verhandelbar sind. Doch solange die georgische Justiz solche Personalentscheidungen trifft, wird das Land eher weiter von Europa abrücken als näherkommen. Und die georgische Regierung? Die wird vermutlich weiterhin verkünden, wie fest sie auf europäischem Kurs bleibt – während sie heimlich die Schrauben Richtung autoritärem Staat anzieht. Bravo, Georgien. Bravo.













