Wer kämpft wirklich für Demokratie in Georgien? Was Deutschland jetzt wissen muss
- T. Kartliani
- 6. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Im aktuellen Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung unter Friedrich Merz steht es klar und deutlich: Deutschland verpflichtet sich, weltweit demokratische Kräfte zu schützen und zu stärken. Das betrifft nicht nur große geopolitische Konflikte, sondern explizit auch Länder wie Georgien, deren EU-Annäherung daran geknüpft ist, dass „kein Zweifel mehr an der Wahrung demokratischer Prozesse besteht“. Klingt gut – nur: Wer sind diese demokratischen Kräfte eigentlich? Und wie können deutsche Organisationen sicherstellen, dass sie die Richtigen unterstützen?
Demokratische Kräfte erkennen: Zwischen Schein und Wirklichkeit
Die georgische Regierung hat in den letzten Jahren alles daran gesetzt, demokratische Strukturen zu schwächen. Mit dem neuen „FARA“-Gesetz (Foreign Agents Registration Act), das im April 2024 beschlossen wurde, müssen NGOs, die ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als „ausländische Agenten“ registrieren. Damit werden sie öffentlich stigmatisiert, und ihre Arbeit wird massiv behindert.
Doch es gibt Organisationen, die sich nicht einschüchtern lassen – und genau dort sollten deutsche Unterstützungsprogramme ansetzen.
Diese NGOs kämpfen an vorderster Front
Ein herausragendes Beispiel ist die Georgian Young Lawyers’ Association (GYLA). Sie stellt verletzten Demonstrant:innen und zu Unrecht Verhafteten kostenlosen Rechtsschutz bereit. Ihre Anwält:innen sind oft die letzte Hoffnung für Menschen, die von der Polizei misshandelt oder vor Gericht gezerrt werden.
Transparency International Georgien ist ein weiterer zentraler Akteur. Die Organisation deckt weiterhin Korruptionsskandale auf und scheut sich nicht, die Machenschaften der Mächtigen öffentlich zu machen – trotz wachsender Drohkulissen.
Das Social Justice Center (EMC) schließlich kämpft für soziale Gerechtigkeit, den Schutz marginalisierter Gruppen und die Einhaltung grundlegender Menschenrechte. Gerade weil die georgische Regierung versucht, diese Themen aus der öffentlichen Diskussion zu drängen, sind EMCs Arbeit und Stimme wichtiger denn je.
Diese Organisationen stehen stellvertretend für eine mutige Zivilgesellschaft, die unter extremem Druck arbeitet und dennoch nicht aufgibt.
Universitäten: Kein Ort des freien Denkens mehr
Während NGOs und Aktivist:innen in Georgien mutig gegen Repression kämpfen, haben die staatlichen Universitäten ihre Rolle als unabhängige Bildungsstätten fast vollständig eingebüßt. Die Tbilisi State University (TSU), ehemals ein Leuchtturm akademischer Freiheit, ist heute fest in den Händen der Regierung. Kritische Forschungsprojekte werden gezielt blockiert, oppositionelle Professor:innen entlassen, und akademische Debatten über politische Themen finden, wenn überhaupt, nur noch im Verborgenen statt.
Besonders alarmierend war im November 2024 die Entscheidung der Universitätsleitung, der Polizei den Einsatz gegen friedliche Demonstranten direkt auf dem Universitätsgelände zu erlauben. Videos, die das brutale Vorgehen der Polizei dokumentierten, sorgten unter Studierenden und Lehrenden für Empörung. Der renommierte Soziologe Iago Kachkachishvili forderte öffentlich eine Erklärung vom Rektor und warnte davor, dass die Nutzung der Universität für staatliche Repressionsmaßnahmen die akademische Integrität zerstöre.
Schon im April 2024 hatte die Universitätsleitung eine geplante Diskussion über das umstrittene „FARA“-Agentengesetz verhindert – ein Gesetz, das NGOs verpflichtet, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren. Studierende berichteten von wachsendem Druck und gezielten Repressionen, wenn sie sich kritisch gegenüber der Regierung äußerten.
Diese Entwicklungen zeigen deutlich: Die TSU – und mit ihr andere staatliche Universitäten – sind keine neutralen Bildungsstätten mehr. Sie dienen zunehmend als Werkzeuge zur Stabilisierung der Regierungsnarrative und zur Unterdrückung kritischer Debatten.
Für internationale Partner, vor allem aus Deutschland, ist daher Vorsicht geboten. Wer mit georgischen Hochschulen kooperieren möchte, muss genau prüfen, ob akademische Freiheit dort tatsächlich noch existiert – oder ob man es lediglich mit einer Fassade zu tun hat, hinter der die Regierung längst das Sagen hat. In einem Land, in dem sogar das Universitätsgelände zum Einsatzort der Polizei wird, ist der Begriff „unabhängige Forschung“ nichts weiter als eine leere Worthülse.
Warum Deutschland jetzt handeln muss
Der Koalitionsvertrag ist ein Versprechen – doch ein Versprechen ohne Taten bleibt leer. Wer in Georgien die Demokratie stärken will, darf sich nicht auf schöne Etiketten und Hochglanzbroschüren verlassen. Deutsche Organisationen müssen gezielt die Akteure unterstützen, die trotz Repressionen, Diffamierungen und Gewalt für demokratische Prinzipien kämpfen.
Es geht nicht darum, „irgendwann“ zu helfen oder „wenn es politisch passt“. Der Moment zum Handeln ist jetzt. Denn die Entscheidung, ob Georgien seinen Weg Richtung Europa weitergeht oder in den autoritären Abgrund abrutscht, fällt nicht in der Zukunft – sie fällt heute.
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