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Wenn die britische Regierung „Georgian Dream“ sanktioniert – aber britische Anwälte Menschenrechtsverletzer hofieren

Es gibt Momente, in denen man sich fragt, ob sich die internationale Politik in ein absurdes Theaterstück verwandelt hat – oder ob das alles bittere Realität ist. Willkommen also in Tiflis, wo am 6. Mai 2025 ein ganz besonderes Schauspiel stattfand: Das „English Law Forum“, organisiert von der georgischen Anwaltskammer in Kooperation mit der Law Society of England & Wales, bot georgischen Juristen die einmalige Gelegenheit, Seite an Seite mit britischen Barristers und Solicitors zu diskutieren. Unter ihnen: Oliver Powell KC, ein Schwergewicht der britischen Anwaltschaft, bekannt für seine Arbeit in Wirtschafts- und Unternehmensstrafrecht.

Ach, Ironie der Geschichte: Während die britische Regierung öffentlich überlegt, Sanktionen gegen Mitglieder der Regierungspartei „Georgian Dream“ zu verhängen – wegen Angriffen auf die Zivilgesellschaft und demokratische Rückschritte – schickt man gleichzeitig freundliche Juristen-Delegationen nach Tiflis, um mit eben jenen Funktionären juristische Expertise auszutauschen. Wenn das kein Paradebeispiel für britische „pragmatic diplomacy“ ist!

Britische Anwälte im Dienste der Rechtsstaatlichkeit – oder doch nur PR?

Das Forum begann mit feierlichen Reden. Wer saß da in der ersten Reihe? Niemand Geringeres als David Asatiani, der Vorsitzende der georgischen Anwaltskammer, und Paata Salia, der georgische Justizminister – ein Mann, der sich nicht unbedingt durch die Verteidigung von Pressefreiheit oder richterlicher Unabhängigkeit hervorgetan hat. Auch Gareth Ward, der britische Botschafter, durfte nicht fehlen. Man lobte die Kooperation, sprach von der „Stärkung rechtsstaatlicher Prinzipien“ und träumte wohl leise von einem Tiflis, das irgendwann einmal wie London sein könnte – zumindest juristisch.

Und dann trat Oliver Powell KC auf, um auf zwei Panels zu sprechen: über internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Asset Tracing, Durchsetzung von Urteilen, Investoren-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit und, natürlich, Rule of Law. Rule of Law? In einem Land, dessen Regierung gerade ein Gesetz zur „Transparenz ausländischer Einflüsse“ durchdrücken will, das in Brüssel als Angriff auf NGOs, Medien und die Zivilgesellschaft gilt? Man muss schon einen sehr britischen Humor haben, um hier noch von Rechtsstaatlichkeit zu sprechen.

Zwischen Moral und Marktinteressen

Natürlich soll niemand Oliver Powell KC persönlich kritisieren – schließlich ist er einer der führenden Köpfe in Fragen von Unternehmensstrafrecht, Betrugsbekämpfung und Korruptionsbekämpfung. Ein Mann, der Standardwerke zum Proceeds of Crime Act und Bestechungsrecht mitverfasst hat, der regelmäßig in Fällen von Betrug und Regelverstößen auftritt. Aber genau da liegt der Haken: Ein Experte für Korruptionsbekämpfung diskutiert in Tiflis mit einer Anwaltskammer, deren Führungselite selbst als verlängerte Hand der Regierungspartei gilt. Die Ironie schreit zum Himmel.

Das „English Law Forum“ diente offiziell der Förderung britischer Rechtsdienstleistungen, besonders im Bereich internationaler Schiedsgerichtsbarkeit und Streitbeilegung in London. Kein Zweifel: Hier ging es auch ums Geschäft. Schließlich ist London als Schiedsplatz ein lukrativer Markt – und Georgien, trotz aller Rückschritte, bleibt ein interessanter Kunde. Dass man dabei mit Regierungsvertretern und Funktionären netzwerkt, die genau jene Menschenrechte bedrohen, die man auf dem Podium beschwört? Geschenkt.

Doppelmoral als Markenzeichen?

Es ist schwer, diesen Spagat nicht zu bemerken: Einerseits diskutiert die EU Sanktionen gegen georgische Regierungsmitglieder, Großbritannien selbst erwägt ähnliche Maßnahmen, andererseits lässt man genau diese Leute auf internationalen Foren glänzen, Seite an Seite mit angesehenen britischen Juristen. Wenn Sanktionen als Signal gedacht sind, wie glaubwürdig ist es dann, gleichzeitig juristische Kooperationen auf höchster Ebene zu zelebrieren?

Natürlich wird man betonen, dass es hier um juristischen Austausch, professionellen Dialog und globale Standards geht. Aber wer genau sind die Profiteure? Die georgische Bevölkerung, die um ihre Freiheitsrechte kämpft? Oder eine juristische Elite, die eng mit der Regierungspartei verbandelt ist?

Ein Forum der verpassten Chancen

Was bleibt vom „English Law Forum“ 2025 in Tiflis? Ein Treffen, das auf dem Papier rechtsstaatliche Prinzipien stärken soll, in der Realität aber wie ein glamouröses Ablenkungsmanöver wirkt. Die Fotos zeigen strahlende Gesichter, freundliche Gespräche, internationale Kooperation – aber sie blenden aus, dass die georgische Justiz unter wachsendem politischen Druck steht, dass Richter parteinah ernannt werden und dass die Regierung mit repressiven Gesetzen zivilgesellschaftliche Akteure einschüchtert.

Vielleicht war es also weniger ein Forum der „Rule of Law“ – sondern ein Forum der Rule of Lobbying.

Und während britische Juristen das Glas auf gute Zusammenarbeit heben, bleibt die Frage offen: Wer spricht eigentlich auf den Panels der georgischen Demokratiebewegung?

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