top of page

Tiflis24 erhält Antwort von Outer Temple Chambers: Wenn Rechtsstaatsrhetorik zur PR-Plattform für Georgiens Machtzirkel wird

Die Bilder des „English Law Forum 2025“ in Tiflis lassen keinen Zweifel zu: Freundliche Gesichter, elegante Reden, diplomatischer Smalltalk. Doch hinter dieser Kulisse spielt sich ein juristisches Trauerspiel ab, das nicht nur den Begriff „Rule of Law“ ad absurdum führt, sondern auch die britische Außenpolitik in ein Licht der Doppelmoral taucht.

Die bittere Ironie internationaler Rechtskooperation

Am 6. Mai 2025 fand in Tiflis eine hochkarätige Juristenkonferenz statt, organisiert von der georgischen Anwaltskammer und der Law Society of England & Wales. Unter den prominenten Teilnehmern: Oliver Powell KC, renommierter Barrister für Unternehmens- und Wirtschaftsstrafrecht, und Vertreter des britischen Botschafters Gareth Ward sowie der Präsident der Law Society, Richard Atkinson.

Zeitgleich debattierte man in London, im ehrwürdigen House of Commons, über gezielte Sanktionen gegen Personen wie Irakli Rukhadze – Strippenzieher im georgischen Medienmarkt und Vertrauter von Bidzina Iwanischwili, dem faktischen Machthaber Georgiens. Es geht um systematische Angriffe auf die Zivilgesellschaft, um den Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Doch statt klare Distanz zu wahren, schickt Großbritannien lieber seine juristische Elite nach Tiflis – um „best practices“ zu diskutieren, wie es in der höflichen Antwort eines Beteiligten heißt.

Legal Networking mit Systemvertretern – und wem nützt es?

Weniger höflich: In der ersten Reihe der Konferenz saßen unter anderem David Asatiani, Vorsitzender der georgischen Anwaltskammer und Parteisoldat der „Georgian Dream“, Paata Salia, Justizminister, sowie Vertreter des Vizejustizministeriums – allesamt Personen, die aktiv am Umbau der georgischen Justiz im Sinne der Machtpartei mitwirken.

Statt unabhängige Richter*innen zu stärken, werden Karrieren politisch belohnt. Statt Pressefreiheit zu schützen, wird Einschüchterung institutionalisiert. Und mittendrin: britische Juristen, die über „Rule of Law“ referieren.

Oliver Powell KC, dessen Expertise im Bereich Korruptionsbekämpfung und Unternehmensethik international gefragt ist, trat auf zwei Panels auf – unter anderem zum Thema Durchsetzung von Urteilen und Asset Tracing. Alles wichtige Themen. Nur fragt sich, ob er währenddessen auch wahrnahm, mit wem er da eigentlich auf dem Podium saß – und welchen Kontext diese Kooperation hat.

Antwort aus London: Gute Absicht, schlechte Optik

Auf eine kritische Anfrage hin erklärte Chris Gittins von Outer Temple Chambers, man habe „nicht die Absicht, repressive Praktiken zu normalisieren“. Das Forum sei dem Ziel gewidmet gewesen, die Rechtsstaatlichkeit in Georgien zu fördern.

Klingt gut. Ist aber naiv.

Denn wer glaubt, dass ein Panel mit der Justizelite eines autoritär geführten Landes automatisch zu mehr Rechtsstaat führt, der hat die politische Realität in Tiflis nicht verstanden. Der Export britischer Rechtskultur ist ehrenwert – aber nicht, wenn er dazu dient, autoritären Regimen internationales Prestige zu verleihen.

Ein Forum als Bühne für Legitimationsgewinn

Gerade die georgische Regierung nutzt solche Foren gezielt zur Imagepflege. Der Auftritt britischer Topjuristen wird da nicht als Zeichen partnerschaftlicher Kritik gelesen – sondern als Ritterschlag. Ein PR-Erfolg, den die Regierung von „Georgian Dream“ dringend braucht, während sie im Inland Proteste niederschlägt, Medien unter Druck setzt und NGOs mit Agenten-Gesetzen überzieht.

Und wer spricht eigentlich auf den Foren der Opposition? Der demokratischen Bewegung, die für ein unabhängiges Gerichtswesen kämpft? Die Antwort ist so banal wie bitter: niemand.

Doppelmoral im Maßanzug

Der Fall ist ein Paradebeispiel für westliche Doppelstandards: Während Sanktionen diskutiert werden, wird gleichzeitig kooperiert. Während man in London überlegt, Oligarchen und politische Strippenzieher zur Rechenschaft zu ziehen, sitzt man in Tiflis mit deren juristischen Sprachrohren am Konferenztisch.

In Zeiten, in denen die georgische Regierung mit aller Gewalt versucht, westliche Kritik als „fremdgesteuert“ zu diffamieren, ist jede diplomatische oder juristische Anerkennung ein politisches Signal – ob gewollt oder nicht.

Die entscheidende Frage

Es geht hier nicht um die Integrität einzelner Juristen wie Oliver Powell KC. Es geht um die Frage: Wer profitiert von diesen Auftritten? Die georgischen Bürger*innen, deren Rechte täglich beschnitten werden – oder die Machtelite, die genau diesen Zustand aufrechterhält?

Die Antwort ist eindeutig. Und deshalb ist das „English Law Forum“ 2025 weniger ein Beitrag zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit – als vielmehr ein Lehrstück über wohlklingende Rhetorik und politische Blindheit.

Comments


Georgische Nachrichten auf Deutsch

Spende über PayPal tätigen

Jetzt abonnieren und über neue Beiträge informiert bleiben

© 2025 – Betrieben und geschützt von Tiflis24

  • Facebook
  • X
bottom of page