Merab Turava: Das Kostüm des Verfassungsrichters passt auch im Justizministerium
- Nina Tifliska
- 29. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
In einem funktionierenden Rechtsstaat würde die Ernennung eines ehemaligen Verfassungsrichters zum stellvertretenden Justizminister mindestens Stirnrunzeln auslösen. In Georgien hingegen scheint sie beinahe erwartbar – zumindest dann, wenn die betreffende Person sich durch jahrelange Regierungsnähe empfohlen hat. So geschehen im Fall von Merab Turava, der im März 2025 direkt vom Präsidentensessel des Verfassungsgerichts in das Justizministerium wechselte. Ein fliegender Wechsel, der mehr über den Zustand der Gewaltenteilung in Georgien aussagt als viele Analysen zusammen.
Loyalität statt Rechtsstaatlichkeit
Turava war nicht nur irgendein Richter – er war Präsident des georgischen Verfassungsgerichts. Eine Institution, die in modernen Demokratien als letzte Verteidigungslinie gegen exekutive Übermacht dient. Doch in seiner Amtszeit verfestigte sich der Eindruck, dass das Gericht eher als politisches Instrument denn als unabhängiger Kontrollmechanismus fungierte. Zwei besonders umstrittene Entscheidungen aus den Jahren 2023 und 2024 verstärkten diesen Eindruck: zum einen die rechtliche Absegnung des Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsidentin Salome Zurabishvili, zum anderen die Weigerung, das sogenannte „Gesetz über ausländischen Einfluss“ auch nur auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Ein Gesetz, das nicht nur in der georgischen Zivilgesellschaft als „russisch inspiriert“ gilt, sondern auch in Brüssel für Kopfschütteln sorgt.
Mit anderen Worten: Wer als Richter stets im Takt der Regierung pfeift, muss in Georgien keine Zukunftsängste haben – im Gegenteil, ihm winkt eine Beförderung.
Justizskandale mit Tradition
Merab Turavas Karriere war allerdings schon lange vor seiner Zeit am Verfassungsgericht bemerkenswert – und zwar nicht im positiven Sinne. Im Jahr 2006 wurde er wegen disziplinarischer Verfehlungen vom Obersten Gericht entlassen. Medienberichten zufolge hatte er unter anderem Ermittlungen gegen korrupte Polizisten behindert. In einem funktionierenden System wäre dies das Ende einer juristischen Laufbahn gewesen. In Georgien hingegen reichte es, um 2015 wieder ins höchste Verfassungsorgan gewählt zu werden – diesmal auf Vorschlag der Parlamentsmehrheit.
Seine Rehabilitierung war jedoch nicht unumstritten. Als er 2018 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen seine Entlassung klagte, wurde sein Verhalten erneut kritisiert. Der EGMR stellte fest, dass Turava während des Verfahrens wesentliche Informationen verschwiegen habe, obwohl er als erfahrener Jurist genau gewusst habe, was verlangt wurde. Wer sich auf diese Weise durch Verfahren schlängelt, darf wohl nicht auf das Vertrauen unabhängiger Gerichte hoffen – aber offenbar auf das der politischen Elite.
Empfehlungen für europäische Partner
Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, dass europäische Partner, insbesondere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, im Umgang mit ehemaligen Funktionären wie Turava besondere Zurückhaltung üben. Auch wenn Austauschformate, gemeinsame Veranstaltungen oder Publikationen grundsätzlich willkommen sind, sollte man sich gut überlegen, mit welchen Personen man sich institutionell verbindet.
Denn eine unkritische Nähe zu solchen Akteuren kann nicht nur die Glaubwürdigkeit europäischer Programme beschädigen, sondern wird auch von der georgischen Öffentlichkeit aufmerksam registriert. Gerade in Zeiten, in denen die Zivilgesellschaft unter Druck steht, wäre ein klares Zeichen der Distanzierung gegenüber parteinahen Justizakteuren ein wichtiges Signal.
Ein System belohnt seine Architekten
Der Aufstieg Merab Turavas in die Exekutive ist keine Überraschung, sondern Ausdruck eines politischen Systems, das Loyalität über Rechtsstaatlichkeit stellt. Seine Personalie steht sinnbildlich für die politische Instrumentalisierung der Justiz in Georgien. Wer als Richter politische Interessen bedient, darf auf Karriere hoffen – wer sich dem widersetzt, auf Druck und Ausgrenzung.
Für internationale Partner ergibt sich daraus eine klare Konsequenz: Zusammenarbeit ja – aber nicht mit jenen, die durch ihr Verhalten das Fundament demokratischer Institutionen systematisch untergraben haben. In diesem Sinne wäre etwas mehr Distanz zu Merab Turava nicht nur klug, sondern auch ein Zeichen von Prinzipientreue.
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