Klimaschutz oder Kremlhilfe? Deutschlands und Georgiens 'nützliche Idioten' in Putins Energiefalle
- Goga Machavariani
- vor 4 Tagen
- 16 Min. Lesezeit
Die Bilder ähneln sich: Empörte Bürger auf der Straße, Plakate gegen ein Großprojekt, Slogans für Umwelt und Gesundheit. In Georgien war es der Aufstand gegen das Namakhvani-Wasserkraftwerk; in Deutschland der jahrzehntelange Protest gegen Atomkraft. Beide Bewegungen galten als moralisch gerechtfertigter Widerstand. Doch ironischerweise erwiesen sie sich – ob bewusst oder unbewusst – als willkommene Schützenhilfe für russische Interessen. Indem sie heimische Energieprojekte verhinderten, verstärkten sie die Abhängigkeit ihrer Länder von Energieimporten, insbesondere aus Russland. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe beider Proteste, ihre Auswirkungen auf die Energieunabhängigkeit und die Frage, inwieweit Moskau dabei als lachender Dritter profitierte. Zudem wird vorsichtig der Verdacht diskutiert, dass in Georgien nicht nur radikale Gruppen, sondern auch staatliche Akteure durch Passivität oder verdeckte Netzwerke Russlands Agenda begünstigt haben könnten. Ein sarkastisch-analytischer Blick auf Parallelen und Brüche zweier Protestkulturen, die unterschiedlicher kaum scheinen – und doch am Ende ein ähnliches Ergebnis hatten.
Hintergrund: Proteste in Georgien und Deutschland
Georgien – „Rettet das Rioni-Tal“: Im Herbst 2020 formierte sich im Westen Georgiens Widerstand gegen den geplanten Namakhvani-Staudamm am Fluss Rioni. Was als lokaler Protest einiger Dutzend Anwohner begann, wuchs sich binnen Monaten zu einer landesweiten Bewegung aus. Zehntausende versammelten sich zu Großkundgebungen in Kutaissi und Tiflis, angeführt von jungen Aktivisten wie Varlam Goletiani. Ihre Kritik richtete sich gegen ökologische Risiken – das Erdbeben-gefährdete Gebiet, das geflutet würde – ebenso wie gegen mangelnde Transparenz und dubiose Vertragsbedingungen mit dem türkisch-norwegischen Investor Enka Renewables. Tatsächlich wurde der 800-Millionen-Dollar-Vertrag zunächst geheim gehalten und erst nach Protestdruck veröffentlicht; viele Bürger fühlten sich übergangen. Aus dem Protestcamp im Rioni-Tal wurde eine Graswurzel-Bewegung namens „Rioni-Tal-Wächter“, getragen von einem breiten Spektrum: von Umweltschützern und Pro-EU-Liberalen bis hin zu Nationalisten und Kirchenanhängern. Diese ideologische Heterogenität war zugleich Stärke und Achillesferse der Bewegung. Immer wieder betonten die Anführer ihren friedlichen Kurs und distanzierten sich von Parteipolitik. Ihr Ziel, so betonten sie, sei kein Umsturz, sondern die Annullierung der Namakhvani-Projektverträge und ein Stopp der Bauarbeiten. Mitte 2021 schien der Druck Wirkung zu zeigen: Die Regierung fror das Projekt ein, und im September 2021 kündigte Enka Renewables den Vertrag – Georgiens bislang größtes Wasserkraftvorhaben lag auf Eis.
Deutschland – Anti-Atom vom Wyhl bis heute: Der Protest gegen die Kernenergie hat in Deutschland eine lange Tradition. Schon in den 1970er Jahren besetzten Bürger im südbadischen Wyhl den Bauplatz eines geplanten AKW und verhinderten das Projekt – eine Geburtsstunde der Anti-Atom-Bewegung. Spätestens nach der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl (1986) gewann die Bewegung massiven Zulauf; Hunderttausende gingen gegen Atomkraft auf die Straße. Bündnis 90/Die Grünen, die 1980 als Anti-Atom- und Umweltpartei ins Leben traten, trugen diese Stimmung ins Parlament. Die Forderung „Atomkraft? Nein danke!“ wurde Mainstream und fand parteiübergreifend Gehör, besonders nach Fukushima 2011, als die Bundesregierung unter Angela Merkel den Atomausstieg beschloss. Im Jahr 2022 wurden die letzten drei deutschen Reaktoren abgeschaltet – so zumindest der Plan. Doch hier zeigt sich die Kehrseite: Atomstrom, der einst mehr als ein Drittel von Deutschlands Elektrizität lieferte, war auf 0% herunterzufahren, obwohl der Ersatz durch erneuerbare Energien noch lückenhaft war. Man setzte auf Erdgas als „Brückentechnologie“, was sich später als fataler Irrtum herausstellen sollte.
Auswirkungen auf die Energieunabhängigkeit
Die Konsequenzen beider Protesterfolge traten erst mit Verzögerung voll zutage – und fielen in Moskau auf fruchtbaren Boden.
In Georgien sollte Namakhvani die inländische Stromproduktion deutlich steigern und das Land unabhängiger von Importstrom machen. Rund 12% des georgischen Strombedarfs hätte die Anlage gedeckt. Doch ohne diesen Zubau bleibt Georgien weiter auf ausländische Energie angewiesen. Bereits in den Wintern zuvor importierte Tiflis erhebliche Strommengen – unter anderem aus Russland. Präsidentin Salome Zurabischwili warnte 2020, Georgien dürfe „nicht wieder zur Geisel ausländischer Energielieferanten werden“.
Georgien bleibe so von russischem Importstrom abhängig und die Abhängigkeit insgesamt „hoch“. Anders ausgedrückt: Die Protestbewegung hat – unbeabsichtigt – das strategische Ziel Russlands befördert, Georgien in Energieabhängigkeit zu halten.
Auch Deutschland tappte in eine ähnliche Falle. Der applaudierte Atomausstieg machte das Land zwar atomfrei, aber keineswegs energieautark. Da erneuerbare Energien den Wegfall der Kernkraft nicht sofort ausgleichen konnten, stieg der Anteil fossiler Energieträger wieder. Vor allem Erdgas galt als saubere Übergangslösung – ein Großteil davon kam aus Russland über Pipelines wie Nord Stream. Vor dem Ukraine-Krieg 2022 bezog Deutschland über 55% seines Gases aus Russland. Die Folgen waren brisant: Berlin finanzierte mit Milliarden Euro jährlich Putins Staatsbudget und machte sich erpressbar. „Der Atomausstieg ohne Plan B hat Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas verstärkt“, konstatiert etwa das renommierte Breakthrough Institute. Spätestens als der Kreml 2022 die Gaslieferungen als Druckmittel einsetzte, wurde klar, wie verwundbar die deutsche Energiepolitik war. Ironischerweise hatte ausgerechnet die Anti-Atom-Bewegung, die einst gegen militärische Abhängigkeit vom Ostblock (Atomwaffen) antrat, nun eine ökonomische Abhängigkeit vom post-sowjetischen Russland mitbegründet. Die Rechnung kam 2022/23 in Form explodierender Energiepreise und kalter Wohnstuben: Deutschland zahlte den Preis für eine gut gemeinte, aber strategisch naive Energiepolitik.
Moskaus lange Hand: Rolle Russlands und mögliche Einflussnahme
Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich die Frage: War das Zufall – oder kalkuliertes Kalkül des Kreml? Sicher ist: Moskau hatte ein enormes Interesse daran, sowohl Georgien als auch Deutschland energetisch von sich abhängig zu halten. Und historische Beispiele zeigen, dass die russische (und zuvor sowjetische) Führung immer wieder versuchte, westliche Protestbewegungen in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Bereits in den 1980ern bediente sich der KGB etlicher Frontorganisationen und Desinformationskampagnen, um die westliche Anti-Atom-Stimmung anzuheizen – damals ging es vor allem um die Stationierung von US-Nuklearwaffen in Europa und die Friedensbewegung. Westdeutsche Verfassungsschützer und sogar der FBI kamen zu dem Schluss, dass sowjetnahe Organisationen lokale Initiativen erfolgreich „umlenkten“, damit die Proteste sich gegen den Westen und nicht gegen sowjetische Raketen richteten. Getreu Lenins Diktum vom nützlichen Idioten verstand es Moskau, echte Graswurzelbewegungen zu unterwandern oder zumindest propagandistisch für sich zu nutzen. Natürlich hat der KGB die westdeutsche Anti-Atomkraftbewegung nicht erfunden – der Umweltschutz hatte genuin demokratische Wurzeln. Aber man erkannte in Moskau schnell, dass eine deutsche Gesellschaft, die Kernkraft ächtet, auf absehbare Zeit mehr Gas und Öl würde importieren müssen. Erdgas lieferte die Sowjetunion seit den 1980ern in großem Stil nach Deutschland – ein Geschäft, das die Devisenkasse füllte. Es ist also wenig verwunderlich, dass Putins Russland ähnliche Taktiken fortsetzte. 2014 enthüllte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, es gebe Hinweise darauf, dass Russland europäische Umwelt-NGOs im Kampf gegen Fracking unterstützte, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu zementieren. „Russland engagiert sich aktiv mit sogenannten Nichtregierungsorganisationen – Umweltorganisationen, die gegen Schiefergas arbeiten – um die europäische Importabhängigkeit zu erhalten“, so Rasmussen. Namen nannte er nicht, doch der Kreml dementierte nicht allzu heftig. In Washington wurden ähnliche Vorwürfe laut, wonach Gazprom-Gelder in US-Stiftungen flossen, die Anti-Fracking-Studien veröffentlichten. Der Kreml mag ideologisch flexibel sein – aber wenn es um Gasexporte geht, versteht er keinen Spaß.
Im georgischen Kontext drängt sich eine Parallele auf. Zwar fehlen harte Beweise für direkte russische Steuerung der Namakhvani-Proteste. Doch verschiedene Indizien deuten darauf hin, dass Moskau zumindest Propaganda-Schützenhilfe leistete – und lokale pro-russische Netzwerke eifrig mitschnitten. So verbreiteten im Frühjahr 2021 plötzlich Dutzende dubiose Facebook-Seiten Desinformationen über die Rioni-Tal-Bewegung. Die Seiten trugen patriotisch klingende Namen und imitierten teils die offiziellen Kanäle der Aktivisten, um Verwirrung zu stiften. Gleichzeitig sprangen bemerkenswerte Alliierte auf den Protestzug auf: Ultranationalistische und anti-westliche Gruppen in Georgien erklärten ihre Solidarität mit den Namakhvani-Gegnern. Darunter waren Kreise um den rechtsextremen Geschäftsmann Levan Vasadze und das berüchtigte Netzwerk Alt-Info, das wegen prorussischer Hetze bekannt ist. In deren Rhetorik wurde aus dem Umweltthema rasch eine nationale Abwehrschlacht: gegen ausländische (sprich: türkische) Investoren, gegen die „Ausverkauf“ der Heimat, gegen angeblich vom Westen diktierte Energiewirtschaft. Die Türkei – mit 90% Hauptanteilseigner bei Enka Renewables – wurde zum Feindbild stilisiert, was exakt auf der Linie russischer Einflussnahme lag: Moskau heizt seit Jahren anti-türkische Ressentiments im Südkaukasus an, um den NATO-Staat Türkei und Georgien auseinanderzudividieren. So erstaunt es kaum, dass der Kreml öffentlich Beifall klatschte, als die georgische Rechtsoppositionspartei Allianz der Patrioten (AoP) 2020 forderte, Tiflis solle einen „neutralen“ Kurs gegenüber Moskau einschlagen und die Westintegration bremsen – russische Stellen begrüßten offen die „Annäherung“ der AoP an ihre Position. Ebendiese AoP fiel im Wahlkampf 2020/21 durch eine hetzerische Kampagne gegen türkische Investitionen auf: ISFED, eine georgische Wahlbeobachter-NGO, dokumentierte, wie die AoP anti-türkische Spots und Banner verbreitete, voll mit Desinformation über angebliche türkische Landnahmen. Ein Plakat der AoP suggerierte gar, die Türkei wolle halb Georgien übernehmen – es musste nach Protesten entfernt werden; georgische Medien titulierten die AoP daraufhin unverblümt als „kremlfreundliche Partei“.
In diesem aufgeheizten Umfeld versuchten die Namakhvani-Aktivisten zwar, sich von xenophoben und prorussischen Strömungen abzugrenzen – sie betonten, man kämpfe allein gegen ein ökologisch und sozial unverträgliches Projekt, nicht gegen ein bestimmtes Land oder gegen „den Westen“. Doch die Gleichzeitigkeit der Ereignisse blieb auffällig: Als Vasadze im Mai 2021 einen großangelegten ultranationalen „Anti-LGBT und Anti-Regierungs“-Marsch organisierte, kursierten in sozialen Medien prompt Gerüchte, der Marsch und die Namakhvani-Demo würden vom selben Drahtzieher gesteuert. Facebook-Werbeposts einer Seite namens „Patrioten-Union Iberia“ zeigten Goletiani und Vasadze nebeneinander und erklärten: „Unser Feind will diese beiden Kundgebungen trennen… für Rioni, für Georgien, für Gott – wir starten am 16. und machen weiter am 23.!“. Diese Vermengung von agendas hat zumindest aus russischer Sicht Nutzen gebracht: Die legitime Umweltbewegung wurde in den Augen vieler Bürger kontaminiert mit dem Geruch des Extremismus und der auslandsfinanzierten Verschwörung. Ergebnis: Das Vertrauen in NGOs, prowestliche Akteure und sogar in grüne Energieprojekte hat in Teilen der georgischen Gesellschaft Schaden genommen – was wiederum Kreml-nahen Kräften in die Hände spielt.
Institutionelle Defizite in Georgien: Nährboden für Einflussnahme
Wie konnte es so weit kommen? Ein Blick auf Georgiens Institutionen offenbart strukturelle Schwächen, die Protestdynamiken wie Namakhvani begünstigt – und ausgenutzt – haben.
Erstens krankt es an Transparenz und Dialog. Das Namakhvani-Projekt wurde jahrelang hinter verschlossenen Türen vorbereitet. Als Details des Vertrags bekannt wurden, war die Empörung groß: Der ausländische Investor sollte umfassende Garantien und Zuschüsse erhalten, während ökologische Gutachten lückenhaft blieben. Diese Intransparenz schuf den perfekten Nährboden für Gerüchte und Verschwörungstheorien. Sogar die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Heidi Hautala von den europäischen Grünen, kritisierte im Juni 2021 „den schockierenden Mangel an Transparenz und Rechenschaft bei den geheimen Verträgen“ rund um Namakhvani. Wenn selbst Verbündete im Westen solch deutliche Worte wählen, zeugt das von ernsthaften Governance-Defiziten. Die georgische Regierung versäumte es, frühzeitig und offen mit Bevölkerung und Experten über Nutzen und Risiken des Projekts zu sprechen. Stattdessen wurde versucht, Fakten zu schaffen – ein Ansatz, der in einer jungen Demokratie schnell den Argwohn verstärkt, zumal gegenüber einem wirtschaftlich und landschaftlich so einschneidenden Vorhaben.
Zweitens zeigt der Fall Namakhvani ein Vertrauensproblem in staatliche Institutionen. Viele Georgier misstrauen Behörden, Gerichten und selbst der Polizei, wenn es um Großprojekte geht – zu oft gab es Skandale um Korruption und Vetternwirtschaft. Im Rioni-Tal spitzte sich dies zu: Bewohner klagten, sie dürften ihre eigenen Dörfer nur mit polizeilicher Erlaubnis betreten, weil rund um die Baustelle Kontrollposten errichtet wurden. Solche Maßnahmen – wohl zur Projektsicherung gedacht – wirkten in den Augen der Menschen wie Besatzungszustand und befeuerten Widerstand. Dass die Regierung schließlich – als der Protest immer größer wurde – in Verhandlungen mit den Aktivisten einwilligte und einen Baustopp verhängte, spricht zwar für die Funktionsfähigkeit demokratischen Protests. Doch gleichzeitig drängte sich der Eindruck auf, die Behörden hätten keinen Plan B: Weder eine überzeugende Kommunikationsstrategie noch institutionelle Mechanismen (etwa transparente Umweltverträglichkeitsprüfungen oder umfassende Bürgerbeteiligung) standen bereit, um den Konflikt zivilisiert zu lösen. Dieses institutionelle Vakuum konnten externe Akteure leicht füllen: Für prorussische Medien bot sich die Gelegenheit, die Ereignisse mit ihrer Deutungshoheit zu überziehen – ungefiltert in sozialen Netzwerken, an denen es dem Staat an Durchgriff mangelt.
Drittens offenbaren sich Sicherheitslücken gegenüber Extremismus und Desinformation. Georgiens Behörden haben wiederholt gezögert oder versagt, gegen bekannte anti-demokratische Gruppen durchzugreifen – besonders wenn diese sich als „patriotisch“ ausgeben. So durfte die oben erwähnte Alt-Info-Truppe jahrelang kremlfreundliche Propaganda verbreiten und war maßgeblich an den gewaltsamen Übergriffen auf Journalisten und LGBT-Aktivisten am 5. Juli 2021 beteiligt, ohne dass die Rädelsführer konsequent zur Rechenschaft gezogen wurden. Dass Alt-Info und Gesinnungsgenossen sich als Unterstützer der Namakhvani-Proteste aufspielen konnten, ist auch Ergebnis dieser staatlichen Wegschau-Politik. Kritiker monieren, die Regierung lasse rechte Schlägerbanden gewähren, solange diese Gegner der Regierung (z.B. liberale NGOs oder oppositionelle Medien) angreifen – ein Kalkül, das kurzsichtig ist, denn es stärkt langfristig nur die Kreml-Agenda, anti-westliche Haltungen in Georgien zu verankern. Hier zeigen sich eklatante institutionelle Defizite: Weder verfügt Georgien über eine belastbare Strategie zur Abwehr von Desinformation, noch wurden die Sicherheitsbehörden ausreichend ertüchtigt, hybride Einflussnahme (sei es aus Russland oder anderswo) systematisch zu erkennen und zu bekämpfen.
Stillhalten oder Steigbügelhalten? Die georgische Regierung in der Kritik
Die Rolle der georgischen Regierung im Namakhvani-Komplex ist vielschichtig – und wirft unangenehme Fragen auf. Einerseits betont die Regierung unter Georgian Dream (GD) stets, man habe mit Namakhvani die Energiesicherheit des Landes stärken wollen und bedaure das Scheitern. Andererseits wirkt es, als habe Tiflis auffallend wenig unternommen, um die russischen Einflussversuche rund um die Proteste abzuwehren. Beobachter argwöhnen, dass die Regierung – ob aus Inkompetenz, aus taktischem Schweigen oder gar aufgrund verborgener Netzwerke – letztlich Moskaus Interessen eher genutzt als geschadet hat. Diese These lässt sich nicht zweifelsfrei beweisen, aber einige Indizien nähren den Verdacht:
Zum einen schlug die Regierung erstaunlich milde Töne gegenüber den klar prorussischen Provokateuren an. Während westlich orientierte Aktivisten und NGOs häufig als „Unruhestifter“ gescholten wurden, blieben Hardliner wie Vasadze oder Alt-Info lange unbehelligt. Man könnte pointiert sagen: Härte gegen prowestliche Kritik, Nachsicht gegenüber prorussischer Agitation – ein Muster, das Georgiens Opposition der GD-Regierung schon länger vorwirft.
Darüber hinaus verlegte sich die Regierungsspitze auffällig darauf, westliche Akteure verantwortlich zu machen. GD-Chef Kobachidze fabulierte im Februar 2023, ausländische NGOs – vor allem die European Endowment for Democracy (EED), eine EU-nahe Stiftung, und sogar die finnische Grünen-Europaabgeordnete Heidi Hautala persönlich – hätten womöglich den Namakhvani-Protest „gesteuert“, um Georgiens Energiepläne zu sabotieren. Belege blieb er schuldig, doch die Stoßrichtung war klar: Der Feind steht (aus GD-Sicht) im Westen, nicht im Osten. Während Kobachidze immerhin einräumte, „es könnte Interesse der russischen Seite gegeben haben“, legte er weit mehr Nachdruck auf angebliche westliche „Agenten“, die hinter den Kulissen die Fäden gezogen hätten. Diese Argumentation – man kennt sie aus Orban’s Ungarn „foreign agent“-(Anti-NGO)-Gesetz – passt auffallend gut zur Kreml-Propaganda, die prowestliche Zivilgesellschaft generell als fünfte Kolonne diffamiert. Dass die georgische Regierung solch rhetorische Front gegen westliche Partner eröffnete, statt mögliche russische Unterwanderung des Protests zu untersuchen, lässt tief blicken. Manche fragen sich, ob Tiflis hier nicht bewusst Nebelkerzen warf, um tatsächliche Einmischungen aus Moskau zu verschleiern – eine These, die mangels Transparenz der Geheimdienstapparate kaum zu verifizieren ist. Doch selbst wenn keine finstere Absicht dahinter stand, so war diese Schwerpunktsetzung mindestens taktisch unklug: Sie entfremdete Georgien weiter von wohlwollenden Stimmen in der EU (Hautala etwa sprach von „besorgniserregenden Vorgängen“ in Georgien) und dürfte den Kreml frohlocken lassen, wie sich Tbilissi mit Brüssel verkrachte, anstatt gemeinsame Sache gegen Moskau zu machen.
Nicht zuletzt fällt der zeitliche Zusammenhang mit anderen umstrittenen Kurswechseln Georgiens auf. Während der Westen nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 ein Sanktionspaket nach dem anderen schnürte, verweigerte sich Georgiens Regierung harten Sanktionen gegen Moskau – offiziell, um die eigene Wirtschaft zu schützen, faktisch aber ganz im Sinne des Kreml. Parlamentsabgeordnete der GD sorgten mit antiwestlichen Ausfällen für Eklats; die Regierung legte im März 2023 einen „Agentengesetz“-Entwurf nach russischem Vorbild vor (zog ihn erst nach Massenprotesten zurück). In dieses Bild fügt sich der Energie-Bereich nahtlos ein: Statt die Schlappe um Namakhvani als Weckruf zu nehmen, forcierte Tiflis keine neuen Energieunabhängigkeits-Projekte; vielmehr verkaufte man 2022 auch den geplanten Nenskra-Staudamm an ein dubioses Konsortium und blieb beim Gaskauf weiter auf Gazprom-Kurs. Zusammengenommen entsteht aus Sicht westlicher Diplomaten der Eindruck, die georgische Regierung scheue einen echten Bruch mit Moskau – selbst wenn dafür strategische Interessen geopfert werden. Freilich dementiert Tiflis jegliche Anklänge, man tue Russlands Willen. Doch wie heißt es: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Die Taten (und Untätigkeiten) im Fall Namakhvani sprechen eine eigene Sprache, die Kritiker als „stillschweigendes Steigbügelhalten“ interpretieren könnten.
Protestbewegung unter der Lupe: Prorussische Verbindungen und Fragwürdigkeiten
So idealistisch und bürgernah viele Proteste beginnen – sie bleiben nicht immun gegen Einflussversuche. In Georgien wie in Deutschland gab es innerhalb der Bewegungen Strömungen, die zumindest fragwürdige Verbindungen oder ideologische Überschneidungen mit russlandnahen Akteuren aufweisen.
In Georgien offenbarte sich dies zum Beispiel am Umgang der Namakhvani-Aktivisten mit rechtsextremen Trittbrettfahrern. Anfangs betonten Goletiani und seine Mitstreiter die parteiunabhängige, inklusiv gedachte Natur ihres Protests: Man vereinte städtische Liberale und konservative Bauern unter dem gemeinsamen Ziel, das Rioni-Tal zu schützen. Doch spätestens im Sommer 2021 zeigten sich Risse. Als die georgische Hauptstadt im Juli eine Pride Week erlebte, schlugen radikale Homohasser-Gruppen los. Und wer tauchte überraschend beim vom orthodoxen Klerus organisierten „Gebetsprotest“ gegen Pride auf? Ausgerechnet Führungsfiguren der Rioni-Tal-Bewegung. Varlam Goletiani und Kollegen standen Seite an Seite mit erzkonservativen Priestern – just in dem Moment, als letztere mit Hetzreden das Klima gegen westliche Werte anheizten. Zwar distanzierte sich Goletiani anschließend von der Gewalt, die Rechtsextreme am 5. Juli verübten, und beteuerte, man habe „nur dem Ruf der Kirche Folge geleistet“. Dennoch brach für zwei prominente Partner-NGOs (Social Justice Center und Green Alternative) eine Welt zusammen: Sie beendeten die Allianz mit den Rioni-Aktivisten, da diese „sich auf die Seite antidemokratischer und menschenverachtender Kräfte gestellt“ hätten. Solche Vorkommnisse nähren den Verdacht, dass innerhalb der Protestbewegung antiwestliche Tendenzen stillschweigend mitliefen. In der Tat bedienten sich einige Aktivisten konservativer Narrative; in einer Erklärung behauptete das Bewegungskomitee etwa, LGBT-Themen würden in Georgien als „Werkzeug politischen Erpressung“ missbraucht – eine Rhetorik ganz im Duktus russischer Kulturkampf-Propaganda. Es ist wichtig zu betonen, dass der Kern der Namakhvani-Bewegung kein Kreml-Produkt war, sondern aus berechtigten lokalen Anliegen entstand. Doch indem man sich nicht klar genug von radikalen nationalistischen Kräften abgrenzte, setzte man die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
Manche Personen des öffentlichen Lebens in Georgien tragen ebenfalls zu solchen Zweifeln bei. Beispielhaft sei Varlam Liparteliani genannt – ein Name, der kurioserweise in diesem Kontext auftaucht. Liparteliani ist eigentlich ein georgischer Judo-Held, Olympia-Medaillengewinner von 2016. Nach seiner Sportkarriere wechselte er in die Politik und saß zunächst für die regierende Georgian Dream im Parlament. Im Februar 2025 jedoch trat er aus der GD-Mehrheit aus, um gemeinsam mit Fridon Injia – einem altgedienten, russlandfreundlichen Politiker – eine neue Fraktion namens „Europäische Sozialisten“ zu bilden. Diese Fraktion geht direkt auf die oben erwähnte Allianz der Patrioten zurück, jene kremlnahe Partei, die mit Anti-Türkei-Agitation auffiel. Dass ein prominenter Sportler und Umwelt-Ausschussvorsitzender wie Liparteliani nun ausgerechnet in einem politischen Lager mitmischt, das von Moskau-nostalgischen Hardlinern gegründet wurde, ließ in Tiflis einige Augenbrauen hochgehen. Es stellt sich die Frage: Welche Haltung vertritt so jemand in Sachen Namakhvani und Energiepolitik? Leider äußert sich Liparteliani öffentlich kaum dazu. Doch allein seine personelle Neuorientierung nährt Spekulationen, ob im Hintergrund Netzwerke existieren, die anfangs regierungsnahe Akteure in Richtung prorussischer Oppositionsprojekte lotsen – was wiederum Russlands Interessen im Land stärken würde. Hier mögen Fragezeichen stehen, doch das Muster ähnelt dem in vielen post-sowjetischen Staaten: Influencer, seien es Politiker, Geistliche oder Prominente, beziehen Positionen, die überraschend kompatibel mit russischen Narrativen sind, ohne sich offen dazu zu bekennen.
Zum Vergleich: In der deutschen Anti-Atom-Bewegung spielte offener Pro-Sowjetismus kaum eine Rolle – dort waren eher linke und bürgerliche Milieus tonangebend, die genuin pazifistisch oder ökologisch motiviert waren. Allerdings gab es auch in Deutschland Personen und Gruppen, die sich später als Moskau-freundlich herausstellten. In den 1980ern wurde z.B. bekannt, dass die DKP (eine kleine West-Kommunistische Partei) und einige Friedensinitiativen Geld aus Ost-Berlin erhielten, um Proteste zu unterstützen. Auch gewisse Kader der Friedensbewegung pflegten dubiose Kontakte zu sowjetischen Diplomaten. Das ändert nichts daran, dass die breite Anti-Atomkraft-Bewegung authentisch war – doch es zeigt: Der Kreml verstand es stets, Andockpunkte zu finden. In neuerer Zeit fiel dies weniger ins Gewicht, da Umwelt-NGOs streng auf Unabhängigkeit achten. Aber man könnte hinterfragen, ob z.B. die vehemente Ablehnung von Flüssiggas-Terminals in Norddeutschland (die eine Diversifizierung weg von Gazprom ermöglicht hätten) nicht ungewollt Gazproms Monopol stärkte. Selbst durch und durch grüne Überzeugungstäter können so – rein objektiv – Moskau nutzen, ohne dass irgendwo Rubel fließen müssen.
Vergleich: Parallelen und Unterschiede der Protestkulturen
Ein direkter Vergleich der georgischen Namakhvani-Bewegung mit der deutschen Anti-Atom-Bewegung legt sowohl Parallelen als auch Unterschiede offen:
Geteilte Motive, geteilte Mythen: Beide Proteste entsprangen berechtigten Sorgen der Bevölkerung. In Georgien die Angst um eine einzigartige Flusslandschaft und die Skepsis gegenüber einem als unfair empfundenen Investorenvertrag; in Deutschland die Furcht vor nuklearen Unfällen und radioaktivem Abfall. In beiden Fällen mobilisierten diese Ängste einen Querschnitt der Gesellschaft – vom Studenten bis zur Großmutter. Interessanterweise speisten sich beide Bewegungen auch aus einem gewissen Misstrauen gegenüber staatlichen Autoritäten. Sowohl der georgische Bauer im Rioni-Tal als auch der deutsche Winzer an der Mosel hatten das Gefühl, die da oben entschieden über ihre Köpfe hinweg. Daraus erwuchs eine Bürgerbewegungskultur, die auf Direktaktion (Demos, Platzbesetzungen, Menschenketten) setzte, weil man dem etablierten Prozess nicht traute. Diese Dynamik machte es aber auch leichter für Dritte, die Narrative zu beeinflussen – Verschwörungserzählungen fanden teils fruchtbaren Boden. In Deutschland kursierte etwa lange der Mythos, die Atomlobby habe Politik und Wissenschaft „in der Tasche“; in Georgien hieß es, die Wasserkraft-Deals würden von korrupten Clans und ausländischen Mächten gesteuert. Solche Narrative mögen im Kern nicht völlig aus der Luft gegriffen sein, wurden aber von interessierter Seite aufgeblasen.
David gegen Goliath – und ein lachender Dritter: In beiden Ländern stilisierten sich die Protestler als David, der gegen den übermächtigen Goliath (Staat, Konzerne, Weltbank etc.) kämpft. Dieses Selbstbild half, Ausdauer und Moral zu stärken, barg aber die Gefahr einer gewissen Schwarz-Weiß-Sicht. Was in Georgien der „ausverkaufende“ Staat und der „ausbeuterische“ Investor waren, das waren in Deutschland „Atomstaat“ und „Profitgier der Energiekonzerne“. Dazwischen wenig Grautöne. Genau hier konnte der „lachende Dritte“ Russland ansetzen: Indem Moskau (bzw. sowjetische/russische Akteure) den Protest diskret befeuerten, verstärkten sie den Goliath-Eindruck. So wurde aus manchem deutschen AKW-Gegner vielleicht ein Nützling Moskaus, wenn er pauschal auch gegen West-Technologie (wie modernere Reaktoren) wetterte, aber zu Ost-Importen schwieg. In Georgien machte sich Russland zunutze, dass gegen die türkische Firma protestiert wurde – was dem Kreml wegen seines eigenen schwierigen Verhältnisses zur Türkei durchaus recht kam.
Unterschiedliche Kontextbedingungen: Ein zentraler Unterschied liegt in den politischen Systemen und ihrer Reaktion. Deutschland ist eine gefestigte Demokratie mit pluralistischer Medienlandschaft. Hier war die Anti-Atom-Bewegung irgendwann so mehrheitsfähig, dass die Politik (bis hin zur konservativen Kanzlerin Merkel) sie aufgriff und implementierte. In Georgien hingegen ist die Demokratie jünger und fragiler; Medien sind politisiert, Institutionen schwach. Die Regierung konnte sich – erfolgreich – darauf verlegen, den Protest auszusitzen und zugleich zu diskreditieren. Während deutsche Politiker Zugeständnisse machten (z.B. den Atomausstieg konsensual verankerten), schürten georgische Politiker Zweifel an den Protestführern. Das Ergebnis: In Deutschland blieb die Bewegung letztlich integrativer Teil der Zivilgesellschaft und des demokratischen Prozesses; in Georgien wurde die Bewegung eher als außerinstitutionelle Opposition betrachtet, mit der man sich im Zweifel anlegt oder die man spaltet. Daher war es für russische Stellen in Georgien auch leichter, Gift einzuträufeln – die Wunden der politischen Polarisierung waren offen. In Deutschland wäre eine so offene Einmischung wie in Georgien (Fake-Seiten, Alt-Info-Kanal etc.) wohl schneller enttarnt und geächtet worden; hier erfolgte der russische Einfluss subtiler, indirekter über Diskursverschiebungen, die teils erst retrospektiv sichtbar werden (so wie man heute erkennt, dass der überhastete Gasausbau ein Fehler war).
Letztlich verwandte Folgen: Trotz aller Unterschiede endeten beide Geschichten in einem energiepolitischen Dilemma. Georgien steht ohne den Namakhvani-Strom da und muss hoffen, andere Projekte (etwa Windparks oder kleinere Wasserkraftwerke) werden die Lücke füllen – was Jahre dauern kann. Deutschland hat inzwischen schmerzlich gelernt, dass eine Energiewende ohne Kernkraft bei gleichzeitiger Gasabhängigkeit von einem Aggressor Staat ein sicherheitspolitisches Risiko darstellt. Ironischerweise sind sowohl Georgien als auch Deutschland in ihrer Energiepolitik wieder auf Kurskorrektur bedacht, nachdem Russlands Krieg und Erpressungstaktik die Alarmglocken läuten ließen. Tiflis bemüht sich um neue Partner (etwa grünen Strom aus der EU über ein Unterseekabel aus Rumänien), Berlin hat inzwischen LNG-Terminals gebaut und diskutiert – spät, aber doch – sogar eine mögliche Wiederbelebung der Kernkraft unter neuen Vorzeichen. Die Geschichte zeigt: Gesellschaftlicher Protest kann wichtige Veränderungen anstoßen, aber wenn er strategische Realitäten ausblendet, läuft man Gefahr, vom Regen in die Traufe zu geraten.
Ironie der Geschichte – öko-patriotische Proteste als Putins Steigbügelhalter
Man könnte es als eine bittere Ironie der Geschichte bezeichnen: Ausgerechnet Bewegungen, die in ihrem Selbstverständnis gegen Abhängigkeiten und fremde Dominanz antraten, haben in zwei so unterschiedlichen Ländern unfreiwillig dazu beigetragen, Russlands Energiehebel zu stärken. Die georgischen „Rioni-Tal-Retter“ wollten ihre Heimat vor Überflutung und Vertragswillkür schützen – erreicht haben sie, dass Georgien weiter Strom aus Russland beziehen muss und ein potenzieller Wirtschaftsmotor verloren ging. Die deutschen Anti-Atom-Aktivisten wollten das Land vor dem GAU bewahren und die Umwelt schützen – am Ende halfen sie, eine fossile Abhängigkeit von Gazprom zu prolongieren, die Milliarden Tonnen CO₂ und geopolitische Kopfschmerzen verursachte.
Damit kein Missverständnis entsteht: Diese Proteste waren nicht per se „vom Kreml gesteuert“. Sie waren Ausdruck legitimer Anliegen vieler Bürger. Doch im geopolitischen Schach verstehen es die Strategen in Moskau meisterhaft, Züge des Gegners für das eigene Spiel zu nutzen. Wenn der Bauer voranschreitet, freut sich der schwarze König, sofern der weiße König dadurch in Bedrängnis gerät. Russland hat weder die Anti-Atom-Bewegung in Deutschland noch die Umweltproteste in Georgien erschaffen – aber es profitierte von beiden und förderte alles, was ihren Erfolg wahrscheinlicher machte, mit offenen Armen.
Am Ende könnten Putin und seine Strategen also ein sarkastisches Resümee ziehen: Warum Panzer schicken, wenn man Demonstranten schicken kann? Natürlich ist das überspitzt. Doch ein Körnchen Wahrheit steckt darin, wie die Fälle Namakhvani und Anti-Atom zeigen. In Tiflis mag mancher Verschwörungstheoretiker raunen, die ganze Staudamm-Story sei ein westliches Komplott gewesen – die Fakten deuten eher darauf hin, dass in dem Stillstand an Georgiens Flüssen vor allem im Kreml stille Freude herrschte. Und in Berlin dürften so manche frühere Atomkraft-Neinsager 2022/23 erstmals leise Zweifel beschlichen haben, ob man sich nicht doch ein bisschen verzockt hat auf dem energiepolitischen Schachbrett.
Die Lehre aus beiden Fällen? Energiepolitik ist immer auch Sicherheitspolitik. Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht. Und nicht jeder laute Protest trägt am Ende zum Fortschritt bei – manche verhindern auch Fortschritt, worüber sich dann Kräfte freuen, die mit Fortschritt wenig am Hut haben. Vielleicht braucht es hier wie da einen ehrlichen gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie man berechtigte Bürgeranliegen ernstnimmt, ohne in die Fallen geopolitischer Rivalen zu tappen. Sonst feiern am Ende die Falschen. In diesem Sinne: Protest ist das Salz der Demokratie – doch man hüte sich, dass nicht der Oligarch im Kreml am Ende die Suppe versalzt.
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