Irakli Garibashvili verlässt die Politik: Zwei Szenarien für Georgiens Zukunft
- 25. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Der ehemalige georgische Premierminister Irakli Garibashvili hat am 25. April 2025 seinen Rückzug aus der Politik bekannt gegeben. In einer Pressekonferenz erklärte er: "Ich möchte bekannt geben, dass ich mich aus der Politik zurückziehe. In den letzten Wochen gab es viele Gerüchte über meine zukünftigen politischen Aktivitäten, und ich halte es für meine Pflicht, der Gesellschaft klare und vollständige Erklärungen zu geben." Trend
Doch in Georgien, wo politische Rücktritte selten endgültig sind, wirft dieser Schritt Fragen auf. Ist dies ein echter Rückzug oder lediglich ein taktischer Schachzug? Zwei mögliche Szenarien zeichnen sich ab:
Szenario 1: Die "Scheinopposition" – Ein orchestriertes Schauspiel?
Könnte es sein, dass Garibashvili – der nie etwas ohne Ivanishvili tut – in Kürze mit Gleichgesinnten wie Ex-Infrastrukturminister Irakli Karseladze als frische „Opposition“ zurückkehrt? Nicht um etwa echte Kritik zu üben, sondern um im politischen Theaterstück Georgiens den Part des „Gegenspielers“ zu übernehmen?
Wer glaubt, dass dies zu weit hergeholt ist, sei daran erinnert: In autoritär regierten Ländern ist die sogenannte „kontrollierte Opposition“ ein bewährtes Mittel, um die demokratische Fassade aufrechtzuerhalten. Eine neue Fraktion aus „Ex-Minister:innen“ würde den westlichen Beobachter:innen vortäuschen, dass es Pluralismus gibt – während hinter den Kulissen natürlich weiterhin derselbe Strippenzieher am Werk ist: Bidzina Ivanishvili.
Karseladze, der das Infrastrukturministerium mit exakt der gleichen Transparenz führte wie ein russischer Oligarch seine Buchhaltung, wäre dabei nur ein weiteres Rädchen im System. Eine pseudo-oppositionelle Liste unter dem Titel „Neue Stärke für Georgien“? Man darf gespannt sein.
Szenario 2: Russland hat keine Lust mehr auf Theater – Jetzt übernehmen die Verwalter
In diesem Szenario ist der Rücktritt Garibashvilis kein persönlicher Entschluss, sondern Teil eines größeren Plans: Die bisherige Führungsriege – erfahren, loyal, bestens eingespielt – zieht sich geordnet zurück. Nicht aus Erschöpfung, sondern weil ihre Aufgabe erfüllt ist.
An ihre Stelle rückt nun ein neues Team, das keine alten Loyalitäten mehr braucht. Irakli Kobachidze, ohnehin längst die lauteste Stimme im Parlament, übernimmt mit seiner Mannschaft endgültig die operative Führung – diesmal allerdings unter deutlich engerer Abstimmung mit Moskau.
Der politische Kurs ist längst klar: Wer heute noch an eine unabhängige Entscheidungsfindung in Tiflis glaubt, glaubt vermutlich auch an die Unabhängigkeit regionaler Fernsehräte in Russland. Die Prioritäten sind gesetzt, die Gesprächspartner definiert, die Botschaften abgestimmt – und das nicht mehr nur mit der eigenen Parteizentrale.
Der Abgang von Garibashvili, Karseladze und Co. wirkt daher weniger wie ein politischer Wechsel, sondern wie ein Personalwechsel auf Befehlsebene. Die Kontrollzentrale befindet sich längst nicht mehr im Inland. Was folgt, ist kein Regierungswechsel, sondern ein Systemupdate – nur diesmal mit Serverstandort weiter nordöstlich.
Fazit: Ein Land am Scheideweg
Georgien steht möglicherweise vor einem Strategiewechsel – nicht inhaltlich, sondern stilistisch. Die bisherigen Gesichter treten ab, das Drehbuch bleibt dasselbe, nur der Ton wird autoritärer und direkter. Wer künftig in Tiflis das Sagen hat, spricht womöglich fließender Russisch als Georgisch – politisch, versteht sich.
Garibashvilis Rückzug reiht sich dabei ein in eine Serie von Bewegungen, die weniger nach innerparteilicher Erneuerung aussehen als nach überregionaler Abstimmung. Die neue Regierungslinie wirkt weniger georgisch selbstbewusst als vielmehr russisch konform – und das ganz ohne formellen Anschluss.
Ob dies das Ergebnis innenpolitischer Planung oder externer Koordination ist? Schwer zu sagen – aber manche Dinge erklären sich auch ganz ohne offizielle Bestätigung. Und Sanktionen? Darüber darf man gerne rhetorische Fragen stellen – wie Garibashvili selbst: „Warum sollte ich...?“ Eine Antwort bleibt dabei ebenso offen wie die Souveränität der georgischen Demokratie.
Comments