top of page

Vom Richter zum Sanktionierten: Wie Großbritannien georgische Justiz korrupter nennt, als Georgien es selbst tut

  • 7. Apr.
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Apr.

Während die EU sich noch immer mit Mahnungen und Empfehlungen begnügt, hat das Vereinigte Königreich Fakten geschaffen. Am 2. April 2025 verhängte London finanzielle Sanktionen gegen zwei prominente Vertreter der georgischen Justiz: Levan Murusidze und Micheil Tschintschaladse. Der Vorwurf: institutionalisierte Korruption im Dienste der Regierungspartei "Georgischer Traum".


Die Maßnahmen beruhen auf dem britischen Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018 sowie der Global Anti-Corruption Sanctions Regulation 2021. Die beiden Richter wurden offiziell in die Sanktionsliste des britischen Außenministeriums aufgenommen. Damit wird zum ersten Mal in einem westlichen Staat offen ausgesprochen, was in Georgien viele flüstern: Dass die Justiz keine unabhängige Gewalt, sondern ein Werkzeug politischer Interessen ist.


Micheil Tschintschaladse, Vorsitzender des Berufungsgerichts Tiflis, soll laut britischem Außenministerium seine Stellung genutzt haben, um politische Einflussnahme bei Richterernennungen und Urteilen durchzusetzen. Im Gegenzug habe er persönliche Vorteile sowie die unbefristete Wiederernennung zum Gerichtspräsidenten erhalten. Für die britischen Behörden handelt es sich um ein typisches Beispiel schwerer institutioneller Korruption.


Auch Levan Murusidze, Mitglied des Hohen Justizrats, steht im Zentrum der Kritik. Ihm wird zur Last gelegt, das Ernennungssystem für Richter bewusst parteipolitisch gesteuert und Urteile im Sinne der Regierungsmehrheit beeinflusst zu haben – stets gegen entsprechende Vergünstigungen. Beide Fälle werden von den britischen Behörden als Fälle "unangemessener Einflussnahme im Justizsystem" eingestuft.

Die Konsequenzen sind eindeutig: Einfrieren sämtlicher Vermögenswerte im Vereinigten Königreich, Verbot jeglicher finanzieller oder wirtschaftlicher Kontakte mit den Betroffenen, und strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen. Unternehmen und Privatpersonen in Großbritannien wurden explizit gewarnt, ohne Sondergenehmigung des Office of Financial Sanctions Implementation (OFSI) keinerlei Transaktionen mit den beiden Richtern vorzunehmen.


Diese Sanktionen sind mehr als bloße Symbolpolitik. Sie sind ein außenpolitischer Warnschuss. Während die EU sich weiterhin in „Monitoring“-Prozesse und technische Dialoge flüchtet, benennt London offen die persönliche Verantwortung georgischer Spitzenjuristen für den Abbau der Gewaltenteilung. Es geht nicht mehr nur um „Defizite“, sondern um konkrete Täter.


In Georgien? Schweigen. Die Regierung zeigt sich wenig beeindruckt, vielleicht auch, weil man sich längst daran gewöhnt hat, dass im Westen mehr geredet als gehandelt wird. Stattdessen geht man lieber gegen NGOs vor, verschärft Gesetze zur Kontrolle ausländischer Fördermittel und beschwert sich darüber, dass sich der Westen „einmischt“. Dass der Westen sich endlich einmischt, scheint dabei niemanden zu überraschen.


Fazit:

Wenn sogar Großbritannien – ein Land, das bekanntermaßen nicht für übereifrige Sanktionsfreude bekannt ist – georgische Richter auf die Sanktionsliste setzt, sollte das auch in Brüssel ein Weckruf sein. Während Georgien sich weiter von der europäischen Rechtsstaatlichkeit entfernt, beginnt Europa langsam zu begreifen, dass "Georgischer Traum" wohl eher Albtraum für die Demokratie bedeutet.

Tiflis24 – Das kritische Magazin für alle, die hinter die Fassade schauen wollen. Klartext aus Georgien. Für Europa.

Comments


Georgische Nachrichten auf Deutsch

Spende über PayPal tätigen

Jetzt abonnieren und über neue Beiträge informiert bleiben

© 2025 – Betrieben und geschützt von Tiflis24

  • Facebook
  • X
bottom of page