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Faust in Tiflis – Wie georgische Richter ihre Seelen mit deutschen Gütesiegeln reinwaschen

Der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe erzählt in seinem berühmten Drama „Faust“ die Geschichte eines Mannes, der sich aus Machtgier mit dem Teufel verbündet und verzweifelt versucht, seinen beschädigten Ruf durch die Nähe zur tugendhaften Gretchen zu retten. Eine ähnliche Geschichte scheint sich derzeit in Georgiens Justizsystem abzuspielen, dessen Führungskräfte mit schweren Korruptionsvorwürfen und internationaler Kritik zu kämpfen haben.

Luxusleben georgischer Richter: Ein Blick hinter die Kulissen

Im April 2023 brachte das georgische Investigativmedium "Formula News" eine aufsehenerregende Recherche heraus, die den enormen Wohlstand führender Richter offenlegte. Darunter befanden sich die Namen Valerian Tsertsvadze, Mikheil Chinchaladze, Levan Murusidze und Irakli Shengelia, deren finanzielle Verhältnisse weit über ihre offiziellen Einkommen hinausgehen. Laut „Formula News“ besitzen diese Richter Immobilien und Firmenanteile, deren Wert die offiziellen Gehälter der Richter bei Weitem übersteigt.

Valerian Tsertsvadze, ehemaliger Vorsitzender des Berufungsgerichts Tiflis, ließ sich beispielsweise eine beeindruckende Villa mit Pool und eigenem Sportplatz errichten, finanziert aus einem Richtergehalt, das nie über 7000 Lari (etwa 2300 Euro) im Monat hinausging. Zusätzlich zu seinem großzügigen Anwesen kontrolliert seine Familie den Elektronikhandel „iTechnics“ und betreibt mehrere Xiaomi-Geschäfte (Formula News, 08.04.2023).

Mikheil Chinchaladze, der amtierende Vorsitzende des Berufungsgerichts in Tiflis, verfügt über ein Anwesen in Saguramo und mehrere Wohnungen im Herzen der Hauptstadt. Besonders bemerkenswert ist, dass viele dieser Immobilien offiziell nicht auf seinen Namen laufen. Sein Kollege Levan Murusidze, bekannt für seinen Einfluss im Justizapparat, überträgt seine beträchtlichen Besitztümer häufig auf seine Partnerin Lela Chania. Chania, eine ehemalige Gerichtsangestellte, konnte trotz ihres überschaubaren Gehalts zahlreiche Immobilien und wertvolle Luxusgüter erwerben (Formula News, 08.04.2023).

Irakli Shengelia ergänzt dieses Bild durch eine Vielzahl von Immobilien in Tiflis und eine Wohnung in der Touristenstadt Batumi. Diese Wohnung vermietet er gewinnbringend an Touristen. Ein Großteil seiner Besitztümer ist offiziell auf Familienangehörige übertragen worden. So läuft etwa Grundbesitz im georgischen Gurjaani auf seinen studierenden Sohn, während seine Ehefrau und andere Familienmitglieder fest im Justizapparat integriert sind (Formula News, 08.04.2023).

Die Einführung des Vetting-Verfahrens: Eine europäische Antwort auf Korruption

Die massiven Enthüllungen über die Vermögensverhältnisse georgischer Richter haben international starke Reaktionen ausgelöst. Das US-Außenministerium verhängte im April 2024 erstmals gezielte Sanktionen gegen diese Richter, wobei auch deren Familienmitglieder eingeschlossen wurden. Diese Entscheidung markierte einen Wendepunkt im Umgang der internationalen Gemeinschaft mit georgischer Justizkorruption.

Als Reaktion auf diese Probleme forderte die Europäische Union im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen ein sogenanntes Vetting-Verfahren, das die Integrität und Unabhängigkeit der georgischen Justiz sicherstellen soll. Dieses Verfahren sieht vor, dass Richter und wichtige Justizbeamte einer umfassenden Integritätsprüfung durch internationale Experten unterzogen werden, um Korruption und Vetternwirtschaft effektiv zu bekämpfen.

In Albanien, Moldau und Rumänien wurde ein ähnliches Verfahren bereits erfolgreich durchgeführt. Albanien überprüfte zwischen 2016 und 2019 etwa 800 Richter und Staatsanwälte und musste dabei über 200 Personen wegen Korruptionsvorwürfen und mangelnder Integrität aus dem Amt entfernen (Legal Political Studies).

Der Widerstand gegen das Vetting-Verfahren

Doch Georgiens Oberstes Gericht stellte sich in einer offiziellen Erklärung vom 11. März 2024 klar gegen die Einführung eines Vetting-Verfahrens. In der Erklärung bezeichnete das Gericht die vorgeschlagene Integritätsprüfung als fundamentalen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz, als Gefahr für die institutionelle Reputation der Gerichte und als Versuch politischer Einflussnahme auf das Justizsystem. Die Erklärung betonte, dass ein solches Vetting weder internationalen Standards entspreche noch mit der georgischen Verfassung vereinbar sei und dem Zweck diene, durch externen Druck Kontrolle über das Gerichtssystem zu erlangen (Publika, 11.03.2024).

Diese offizielle Position wurde jedoch nicht von allen Richter:innen geteilt. Die Richterinnen Nino Bakakuri und Ekaterine Gasitashvili distanzierten sich öffentlich von dieser Erklärung und machten ihre abweichende Haltung deutlich (Netgazeti, 13.03.2024).

Zu den Unterzeichnern der offiziellen Erklärung des Obersten Gerichts gehörte auch Tamar Zambakhidze, die zu diesem Zeitpunkt Richterin am Obersten Gericht war und sich somit der kritischen Haltung gegenüber dem Vetting-Verfahren anschloss.

Bereits in früheren Anhörungen vor dem Hohen Justizrat hatte sich Tamar Zambakhidze zudem skeptisch gegenüber mehr Transparenz und externer Kontrolle geäußert. In ihrer Anhörung erklärte sie, dass in Georgien alle Richter sich ohnehin gut kennen würden, weshalb öffentliche Präsentationen von Bewerbern entbehrlich seien. Auf die Frage der Ratsmitgliedern Nazi Janezashvili, wie es möglich sei, dass Kandidaten ohne öffentliche Vorstellung 260 Stimmen bei der Richterwahl erhalten, antwortete Zambakhidze wörtlich:

"Wir kennen einander sehr gut, verfügen über umfassende Informationen über die beruflichen Fähigkeiten der Kandidaten, sodass zusätzliche Vorstellungen oder Programme nicht notwendig sind."([Quelle: Hearing des High Council of Justice, Interviewausschnitt, Dokument „Tamar Zambakhidze“ S. 10-11])

Zudem relativierte Zambakhidze bei dieser Anhörung die führende Rolle des hochumstrittenen Levan Murusidze innerhalb des Richternetzwerkes, indem sie seine Funktion als Ergebnis „natürlicher sozialer Führerschaft innerhalb des Justizsystems“ beschrieb ([Quelle: Hearing des High Council of Justice, Dokument „Tamar Zambakhidze“ S. 13]).

Rolle deutscher Institutionen und die Gretchenfrage der Integrität

Die jüngsten Entwicklungen werfen auch Fragen an deutsche Institutionen auf, die georgische Richter und Juristen finanziell und akademisch unterstützen. So erhielt beispielsweise der georgische Jurist Goga K., Mitglied des umstrittenen Hohen Justizrates, 2025 ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) für einen Forschungsaufenthalt an der Universität Regensburg. Angesichts der Korruptionsvorwürfe und der kritischen Rolle des Hohen Justizrates in Georgien wirft diese Entscheidung erhebliche Fragen zur Integritätsprüfung bei deutschen Förderinstitutionen auf.

Vor dem Hintergrund der europäischen Forderungen nach tiefgreifenden Justizreformen in Georgien stehen deutsche Institutionen nun vor einer klaren Entscheidung: Unterstützen sie weiterhin indirekt ein umstrittenes Justizsystem, das sich gegen Transparenz und Kontrolle sperrt, oder setzen sie sich aktiv für Reformen und Rechtsstaatlichkeit ein?

Die Antwort auf diese Frage könnte entscheidend für die Zukunft der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Georgien sein.


Was ist der georgische Richter-Clan?Der Begriff „Richter-Clan“ beschreibt eine einflussreiche Gruppe von Richtern in Georgien, die Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sind und den Justizapparat informell kontrollieren. Ihre führenden Köpfe sind unter anderem Mikheil Chinchaladze und Levan Murusidze.

Welche Vorwürfe gibt es gegen die georgischen Richter?Die Richter, insbesondere Mikheil Chinchaladze, Levan Murusidze, Valerian Tsertsvadze und Irakli Shengelia, stehen im Verdacht, erheblichen Wohlstand angehäuft zu haben, der weit über ihre offiziellen Einkommen hinausgeht. Dazu gehören zahlreiche Immobilien und luxuriöse Lebensstile, die mit offiziellen Gehältern nicht erklärbar sind.

Was ist das Vetting-Verfahren in Georgien?Das Vetting-Verfahren ist ein von der Europäischen Union gefordertes Prüfverfahren, um die Integrität und Unabhängigkeit der georgischen Justiz sicherzustellen. Richter und hohe Justizbeamte sollen dabei umfassend auf Korruption, Integrität und Unabhängigkeit untersucht werden.

Warum lehnt Georgiens Justiz das Vetting-Verfahren ab?Das georgische Höchstgericht argumentiert, das Vetting-Verfahren sei ein Eingriff in die Souveränität des Landes und könnte die Unabhängigkeit der Justiz beeinträchtigen. Kritiker sehen darin jedoch eher den Versuch, bestehende Korruption und Machtstrukturen zu schützen.

Welche Rolle spielen deutsche Institutionen in der georgischen Justizkrise?Deutsche Institutionen wie der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) geraten in die Kritik, da sie Richter und Juristen unterstützen, die im Verdacht stehen, Teil des problematischen georgischen Justizsystems zu sein. Dadurch entsteht der Vorwurf, indirekt zur Legitimierung des „Richter-Clans“ beizutragen.

Was fordert die internationale Gemeinschaft von Georgien bezüglich der Justizreformen?Die internationale Gemeinschaft, insbesondere die USA und die EU, fordert von Georgien umfassende Justizreformen. Dazu gehören insbesondere Transparenz, Bekämpfung von Korruption und Einführung unabhängiger Integritätsprüfungen für Richter.

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