Elf Protestteilnehmer bleiben in Haft: Richterin Nino Galustashvili stärkt die Linie der Repression
- Nina Tifliska
- 1. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Ein weiteres Kapitel im traurigen Schauspiel der georgischen Justiz: Heute hat die Richterin Nino Galustashvili entschieden, dass alle elf während der Proteste festgenommenen Personen weiterhin in Untersuchungshaft bleiben. Betroffen sind Andro Chichinadze, Onise Tsxadadze, Guram Mirtzkhulava, Jano Archaya, Luka Jabua, Ruslan Sivakov, Revaz Kiknadze, Giorgi Terashvili, Valeri Tetreshvili, Sergej Kucharchuk und Irakli Kerashvili. Ihnen wird nach Artikel 225, Teil 2 des georgischen Strafgesetzbuches die Teilnahme an Gruppen-Gewalt vorgeworfen – eine Anklage, die bis zu sechs Jahre Freiheitsstrafe nach sich ziehen könnte. Wohlgemerkt: Keine der elf Personen hat sich bislang schuldig bekannt.
Prozess im „Hochgeschwindigkeitsmodus“ – für die Staatsmacht, nicht für die Verteidigung
Das Verfahren befindet sich nun in der Phase der Hauptverhandlung. Während bei der letzten Sitzung am 24. April die Staatsanwaltschaft ihre Eröffnungsrede hielt, war heute eigentlich die Verteidigung an der Reihe. Doch einer der Anwälte, Guja Avsajanischwili, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen und bat höflich um eine Vertagung. Doch Richterin Galustashvili? Kein Interesse. Laut ihr dürfe der Anwalt halt bei der nächsten Sitzung sprechen. Effizienz geht hier offenbar vor Fairness – oder war es am Ende vielleicht doch eher ein symbolischer Akt der Härte?
„Wiederholungsgefahr“ als Zauberformel der Staatsanwaltschaft
Besonders bemerkenswert ist die Begründung, mit der die elf Angeklagten in Haft bleiben müssen. Die Staatsanwaltschaft verwies auf die angebliche „Gefahr wiederholter Straftaten“ und die Möglichkeit, dass sich die Beschuldigten dem Verfahren entziehen könnten. Man könnte fast meinen, man habe es hier mit internationalen Großkriminellen zu tun – dabei geht es schlicht um Protestierende, die ihr Demonstrationsrecht wahrgenommen haben.
Richterin Galustashvili erklärte salbungsvoll, dass „die Justiz nicht verzerrt“ sei und die Entscheidungen selbstverständlich „gerecht, gesetzlich und begründet“ ausfallen würden. Man müsse eben abwarten, bis Beweise geprüft seien. Doch seien wir ehrlich: Wer der Staatsanwaltschaft in Georgien blind vertraut, glaubt vermutlich auch noch an den Weihnachtsmann. Dass ein erster Haftentscheid praktisch automatisch weitergeführt wird, ohne dass neue, belastende Fakten vorliegen, hat mit fairer Justiz nur noch am Rande zu tun.
Politischer Hintergrund: Proteste und Einschüchterung
Diese Inhaftierungen fallen nicht vom Himmel. Seit Monaten brodelt es in Tiflis: Massenproteste gegen die autoritäre Kursverschärfung der Regierung, gegen das berüchtigte Gesetz zur „Transparenz ausländischer Einflüsse“ und gegen die schleichende Entdemokratisierung des Landes. Die Regierung reagiert darauf nicht mit Dialog, sondern mit massiver Repression: Polizeigewalt, Einschüchterungskampagnen, absurde Bußgelder – und eben auch mit politischen Prozessen, die ganz offenbar darauf abzielen, Demonstrierende mürbe zu machen.
Persönliche Sanktionen: Richter in die Verantwortung nehmen
Gerade vor diesem Hintergrund wird klar, wie dringend gezielte persönliche Sanktionen gegen Akteure wie Richterin Nino Galustashvili notwendig sind. Es reicht nicht, nur Politiker oder Sicherheitsbeamte zu sanktionieren, während die Justiz ungestört als Handlanger autoritärer Interessen fungiert. Solange Richterinnen und Richter, die mit ihren Urteilen demokratische Grundrechte aushebeln, keinerlei internationale Konsequenzen zu befürchten haben, bleibt der Repressionsapparat intakt. Individuelle Strafmaßnahmen – wie sie der Megobari Act der USA vorsieht – könnten ein wichtiges Signal senden: Wer sich freiwillig zum Werkzeug politischer Unterdrückung macht, der muss auch persönlich dafür einstehen.
Georgische Justiz als verlängerter Arm der Regierung?
Was hier gerade abläuft, ist ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie man eine Justiz systematisch in ein Werkzeug der Exekutive verwandelt. Wenn Gerichte reflexartig die Argumentation der Staatsanwaltschaft übernehmen, ohne sorgfältig abzuwägen, wenn Demonstrierende pauschal als Gewalttäter dargestellt werden und wenn der Begriff „Wiederholungsgefahr“ als Generalschlüssel für Inhaftierungen dient, dann muss man sich fragen: Wie viel unabhängige Justiz ist in Georgien überhaupt noch übrig?
Für die elf jungen Menschen, die jetzt weiterhin hinter Gittern sitzen, ist das kein theoretisches Problem. Für sie geht es um Freiheit oder Gefängnis, um Gerechtigkeit oder politisch motivierte Strafe. Und für das Land? Um nichts weniger als seine demokratische Zukunft.
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