Ein Blick auf die „Corruption Map“: Transparenz International enthüllt Georgiens korrupte Elite – und der Staat? Schweigt.
- Goga Machavariani
- 7. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Transparenz International Georgien hat mal wieder das getan, wozu sich die georgischen Strafverfolgungsbehörden offenbar konsequent weigern: Sie haben hingeschaut. Und nicht nur das – sie haben jetzt auch eine interaktive „Corruption Map“ (https://www.corruptionmap.ge) veröffentlicht, die öffentlich zugängliche Hinweise auf hochrangige Korruptionsfälle in Georgien visualisiert. Na, wenn das kein bitter nötiges Instrument in einem Land ist, in dem Korruption auf höchster Ebene inzwischen so normal ist wie der Morgenkaffee im Regierungsgebäude.
Denn was diese Karte offenbart, ist, gelinde gesagt, erschütternd: 231 dokumentierte Fälle von „Elitekorruption“, die sich wie ein dunkler Schatten über die georgische Politik, Justiz und Verwaltung legen. In diese Skandale verwickelt: 207 hochrangige Amtsträger, darunter 34 Minister oder Vizeminister, 37 Abgeordnete, 16 Richter und 62 lokale Funktionäre. Allein im letzten Monat kamen sieben neue Fälle hinzu. Offenbar schläft die Korruption genauso wenig wie die Regierung, die sie deckt.
Von Kleptokratie und anderen georgischen Alltagserfahrungen
Während Georgien im „Corruption Perceptions Index“ von Transparenz International regelmäßig mittelmäßige Werte erzielt, zeichnet sich ein klarer Trend ab: Die kleinen Alltagsbestechungen mögen abgenommen haben – aber die große, elitäre Korruption hat sich stattdessen so tief in den Staatsapparat gefressen, dass Experten längst von einer „Staatsübernahme“ sprechen. Ja, Sie haben richtig gelesen: Georgien steuert geradewegs auf eine Kleptokratie zu, in der die politische Elite die Staatskasse offenbar als ihren privaten Sparstrumpf betrachtet.
Der Einfluss des „Gründervaters der Regierungspartei“ (wir nennen hier natürlich keine Namen, aber jeder weiß, wer gemeint ist…) auf die Institutionen des Staates wird von internationalen Beobachtern bereits als Paradebeispiel für diese staatliche Vereinnahmung gewertet. Kein Wunder, dass von den 231 dokumentierten Korruptionsfällen kein einziger zu einer ernsthaften strafrechtlichen Konsequenz für die oberen Ränge geführt hat. Immerhin, auf lokaler Ebene wurden tatsächlich ein paar Bürgermeister und ein Ex-Gouverneur festgenommen – die Bauernopfer der georgischen Antikorruptionspolitik.
Ermittlungen? Ach was – wir sind hier doch nicht in Skandinavien!
Besonders peinlich ist dabei die Rolle der Generalstaatsanwaltschaft und des Staatssicherheitsdienstes (SUS). Trotz gesetzlicher Pflicht, Ermittlungen bei Bekanntwerden potenzieller Straftaten einzuleiten, haben diese Behörden die meisten Fälle einfach… nun ja… ignoriert. Anfragen von Transparenz International? Werden einfach ausgesessen. Öffentlich einsehbare Informationen über eingeleitete Verfahren? Fehlanzeige. Willkommen im georgischen „Transparenz“-Staat.
Dabei fordert nicht nur die georgische Zivilgesellschaft seit Jahren eine unabhängige Antikorruptionsbehörde. Auch die EU, die OECD und das Europäische Parlament mahnen gebetsmühlenartig an, dass Korruption auf höchster Ebene ernsthaft bekämpft werden muss. Die EU-Kommission hat die Unabhängigkeit einer solchen Behörde sogar zur Bedingung für den Kandidatenstatus gemacht. Aber solange die Ermittlungen in den Händen derselben Institutionen bleiben, die politisch weisungsgebunden und durch die Regierungspartei unterwandert sind, bleibt das wohl ein frommer Wunsch.
„Corruption Map“ als unbequemer Spiegel
Mit der neuen Plattform liefert Transparenz International Georgien nicht nur eine beeindruckende Datenbank, sondern auch einen unbequemen Spiegel für die georgische Gesellschaft – und vor allem für die Regierung. Jeder einzelne Fall ist mit Details dokumentiert, inklusive der beteiligten Personen, der Art der Vorwürfe und dem aktuellen Stand (Spoiler: fast überall „keine Ermittlungen“).
Besonders perfide: Die georgischen Behörden veröffentlichen nicht einmal begründete Entscheidungen, warum sie keine Ermittlungen aufnehmen. Damit verstößt Georgien nicht nur gegen internationale Standards, sondern auch gegen seine eigenen Gesetze. Aber wen interessiert schon Rechtsstaatlichkeit, wenn Macht und Einfluss gewahrt bleiben müssen?
Eine Landkarte des Misstrauens – oder der Hoffnung?
Die „Corruption Map“ ist mehr als nur ein digitales Archiv: Sie ist ein Werkzeug der Demokratie und der öffentlichen Rechenschaftspflicht. Sie gibt Journalist:innen, Aktivist:innen und Bürger:innen ein Mittel an die Hand, Korruption sichtbar zu machen und Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Gleichzeitig entlarvt sie die georgische Antikorruptionspolitik als Farce – ein Spiel, dessen Regeln längst von denen geschrieben werden, die es eigentlich kontrollieren sollten.
Ironischerweise liegt die Lösung schon seit Jahren auf dem Tisch: Die Schaffung einer unabhängigen, mit echten Befugnissen ausgestatteten Antikorruptionsbehörde, die außerhalb der Reichweite politischer Einflussnahme arbeitet. Doch solange die georgische Regierung lieber ihre eigenen Netzwerke schützt als ernsthaft aufzuräumen, bleibt die „Corruption Map“ wohl das digitale Mahnmal eines Staates, der sich selbst sabotiert.
Aber wer weiß – vielleicht ist genau diese Karte der erste Schritt, die Strukturen aufzubrechen. Oder zumindest ein digitales Zeugnis dafür, dass die georgische Öffentlichkeit nicht bereit ist, die Augen vor der Korruption zu verschließen, die längst vom Ausnahme- zum Normalzustand geworden ist.
Und der Staat? Der sitzt derweil da, dreht Däumchen – und hofft, dass niemand so genau hinsieht. Blöd nur, dass jetzt alle hinschauen können.
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